Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest in München:Wo die Weißwurst vegan wird

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"Mir langt eigentlich der Bädasui vom Hendl!", hieß es vor nicht allzu langer Zeit. Doch inzwischen braucht es mehr als ein bisschen Petersilien-Deko: Der Trend zur fleischlosen Ernährung macht nicht mal vor der Wiesn halt.

Von Franz Kotteder

Noch vor ein paar Jahren meinte der Vorstandschef einer großen Münchner Brauerei zum Thema Salat auf dem Oktoberfest ganz im Vertrauen: "Mir langt eigentlich der Bädasui vom Hendl!" Übersetzt aus dem O-Ton Süd heißt das: "Mir reicht eigentlich die Petersilie vom gegrillten Hähnchen." Lange Zeit war dies das letzte Wort beim bayerischen Nationalfest, wenn es um das Thema Grünzeug ging. Die Öffentlichkeit nahm die Wiesn zuletzt wahr als Volksfest, bei dem 7,5 Millionen Liter Bier sowie 435 000 Brathähnchen und 124 Ochsen vertilgt wurden. Seit damals, 2019, musste das Oktoberfest zweimal wegen Corona pausieren. Und plötzlich scheint es so zu sein, dass die Festwirte nun die Veganer als neue Zielgruppe entdeckt haben.

Die Ochsenbraterei hat sich einen Vegankoch ins Team geholt

Genau genommen sind es eigentlich die Wiesnwirtinnen, die hier die Vorhut bilden. Allen voran ist das Antje Haberl - die Wirtin der Ochsenbraterei, ausgerechnet. Das Zelt mit seinen 7640 Plätzen ist bekannt dafür, dass seine Ochsen aus dem städtischen Mustergut Karlshof kommen und auf einer Tafel namentlich vorgestellt werden, während man sie zum Verzehr am offenen Drehspieß grillt. In diesem Jahr aber hat Antje Haberl den Vegankoch Sebastian Copien, bekannt durch zahlreiche einschlägige Kochbücher, in ihr Küchenteam geholt. "Vegetarische und vegane Ernährung ist kein Trend", sagt Haberl, "sondern für Mensch und Natur erwiesenermaßen gut." Copien soll nun die Münchnerinnen und Münchner sowie ihre auswärtigen Gäste für rein pflanzliche Ernährung auch im Bierzelt begeistern. Auf der Karte stehen erstmals drei Gerichte zu Preisen zwischen 14,80 und 15,80 Euro - vegane Pflanzerl mit Kartoffelsalat, vegane Bratwurst mit Sauerkraut und ein "Schwammerlgulasch mit Pulled", also Pilze in Soße mit gerupftem Fleischersatz auf Erbsen-Protein-Basis. Wem Bier dazu nicht vegan genug ist, der kann ein paar Schritte weiter im kleinen Zelt Café Theres von Katharina Wiemes auch einen veganen Cappuccino bekommen. "Von Hand aufgeschäumt", sagt die Wirtin, "die vegane Milch funktioniert im Kaffeeautomaten nicht."

Angefangen hat es mit den veganen Wiesnschmankerln allerdings bei Münchens Feinkostkönig Michael Käfer. Den hat seine Frau Clarissa dazu angeregt, wie er freimütig zugibt. Schon vor zwei Jahren, da gab es erstmals kein Oktoberfest, präsentierte er seine veganen "Wiesn-Pflanzerl", also fleischlose Frikadellen, des Münchner Start-ups Greenforce, an dem neben Käfer auch Bayern-Stürmer Thomas Müller finanziell beteiligt ist. In diesem Jahr gibt es in Käfers Wiesn-Schänke, dem erklärten Hauptquartier der Münchner Schickeria auf dem Festgelände, erstmals eine vegane Wirsing-Tofu-Roulade und einen "Global Food Salad" mit einem veganen Pflanzerl.

Eine Besonderheit aber bietet das Hofbräufestzelt von Wirtin Silja Steinberg an. Neben einer veganen Currywurst hat sie heuer erstmals eine vegane Weißwurst auf der Karte. Das Hofbräuzelt ist sehr beliebt bei Touristen aus Übersee, die dürften mangels Erfahrung kaum einen Unterschied zur herkömmlichen Weißwurst erkennen. Und selbst der Brauereivorstand von der Konkurrenz wird wohl zufrieden sein: Auch die vegane Variante enthält, wie es sich für eine Münchner Weißwurst gehört, Spuren von Petersilie.

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