Süddeutsche Zeitung

Festtagsbraten:Gans erfolgreich, Lokale leer

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"Mit Omikron kam noch einmal ein Schub": Mit dem klassischen Weihnachtsmenü retten sich die Restaurants über die Runden. Das Essen zum Abholen läuft gut, ansonsten ist das Geschäft eher mau.

Von Franz Kotteder

"Wie war das? 25 Minuten bei 250 Grad?" Nein, wiederholt Thomas Thielemann geduldig: Die Gans erst eine halbe Stunde bei 120 Grad in den Ofen, dann hochfahren bis auf 250 Grad, damit die Haut schön knusprig wird. Fünf Minuten, maximal zehn, sollten dann reichen. Der Abholer nickt und versucht, sich die Zahlen zu merken. Was wohl dann aus der vorgegarten Gans im heimischen Ofen geworden ist?

Eigentlich dürfte nichts schiefgehen. Die "Weihnachtsgans to go" ist küchentechnisch eine zu bewältigende Aufgabe. Thomas Thielemann, früher Küchenchef im Schweinsbräu von Gut Herrmannsdorf bei Glonn und seit einigen Jahren als Miet- und Privatkoch unterwegs, hatte die Gans schon 2020 im Angebot und, so wie in diesem Jahr, im Restaurant seines Kollegen und Freundes Karl Ederer in der Lindwurmstraße zur Abholung angeboten.

Was seinen Kunden viel Weihnachtsstress erspart, war für ihn allerdings echt anstrengend. "Heute Nacht haben wir um ein Uhr angefangen", erzählt er am Samstagmittag, "es war gar nicht so einfach, genügend Bio-Gänse zu bekommen - auch wenn es letztes Jahr schlimmer war." Über Gut Herrmannsdorf habe er noch Kontakte bekommen, sagt Thielemann, die letzten Exemplare habe er dann bei einem Biobauern am Bodensee abgeholt. Gut 30 Gänse habe er heuer gebraten, "als die Omikron-Variante kam, gab es noch einmal einen Schub".

Kollege Rico Birndt vom Sternerestaurant Mural in der Hotterstraße hatte an Heiligabend sogar 70 Gänse und Enten zum Abholen da. Die Gans war schon im Jahr davor gut gelaufen, 2021 ist sie der Renner. "Ist doch praktisch", sagen die, die sich ihr Festtagsessen abholen. Schließlich stünde man sonst stundenlang in der Küche. Eine Frau, die nicht fotografiert werden will, weil sie in der Jogginghose aufkreuzt, erzählt, dass sie bis zum 23. Dezember abends arbeiten musste, "da ließ sich nix vorbereiten". Aber die Tochter wünschte sich eine Gans.

"Die Gans wird 16 Stunden lang bei 70 Grad gedämpft."

Da kam das Mural gerade recht. Und dort hat man viel Zeit mit dem Geflügel verbracht. "Die Gans wird 16 Stunden lang bei 70 Grad gedämpft", beschreibt Birndt die Vorarbeiten, "die Ente zwölf Stunden. Und wir haben 20 Kilo Blaukraut gekocht." Das fertig vorgegarte Tier wird dann ganz stramm in Frischhaltefolie eingewickelt: "Das ist wie vakuumiert, die kann man auch erst in ein paar Tagen machen." Für Birndt und sein Team hatte das den Vorteil, dass sie nicht wie Thielemann an Heiligabend und beiden Feiertagen arbeiten mussten.

Diese Arbeit haben sich auch viele Wirte in der Innenstadt erspart. Die wenigen Lokale, die an den beiden Feiertagen offen haben, sind halbwegs gut gefüllt. Die Unentwegten und rundum Durchgeimpften, sie wollen eben auch in diesem Pandemiejahr nicht auf das Festtagsmahl in ihrer Lieblingswirtschaft verzichten. "Wir gehen jedes Jahr in den Andechser", heißt es an einem großen Familientisch dort, "das ist bei uns so Tradition." Im Spatenhaus sieht man ebenfalls vorwiegend Stammgäste, ebenso im Franziskaner.

Im Hofbräuhaus spielt die Blasmusik unverdrossen vor sich hin

Vereinzelt finden sich auch wagemutige Touristen, die es an Weihnachten auf eine Städtereise nach München verschlagen hat. Im Hofbräuhaus, klar, in dem die Blechmusik unverdrossen vor sich hinspielt. Am meisten Arbeit dürfte die Küche an diesen Tagen allerdings mit den 600 Portionen Gulasch mit Semmelknödeln gehabt haben, die an den Katholischen Männerfürsorgeverein geliefert wurden - als Ersatz für die Obdachlosenweihnacht, die sonst traditionell am Heiligen Abend im Großen Festsaal des Hauses stattfindet, heuer aber natürlich wieder einmal ausfallen musste.

Im Donisl am Marienplatz sind ebenfalls vor allem Stammgäste da. "Ich kenne eigentlich an jedem Tisch jemanden", sagt Wirt Peter Reichert. Er freut sich natürlich, dass die Leute trotz aller Widrigkeiten kommen. Aber rentabel ist das alles nicht. "Der ehemalige Wiesnwirtesprecher Toni Roiderer hat schon recht", sagt Reichert, "am besten wäre für uns ein Lockdown im Januar und Februar." Toni Roiderer hatte in der Presse von einem "Sterben auf Raten" gesprochen und gemeint, der Staat solle die Gaststätten lieber ganz schließen und Unterstützung zahlen, weil die Sperrzeit 22 Uhr und die 3-G-Regel zu viele Gäste vom Lokalbesuch abhielten, um noch wirtschaftlich arbeiten zu können.

Und schließlich gibt's die Gans nur ein-, maximal zweimal im Jahr.

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