Süddeutsche Zeitung

Digitalisierung:So sieht die Stabi der Zukunft aus

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Die Bayerische Staatsbibliothek stellt ihre überarbeitete Digitale Sammlung vor. Das Ergebnis? Bestände lassen sich leichter finden, sind besser lesbar - und sogar kostbare Bücher aus verschiedenen Jahrhunderten sind dabei.

Von Sabine Buchwald

Die Bayern sprechen gern in Superlativen. Sie strengen sich auch mächtig an, damit das in vielen Bereichen möglich ist. Diesen Mittwoch hat die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) einen neuen Superlativ vorgestellt. Es sei ein Quantensprung, nicht nur ein Relaunch, war bei der offiziellen Präsentation der überarbeiteten Digitalen Sammlungen zu hören. Tatsächlich geht der Relaunch, an dem seit zwei Jahren mehr als zwei Dutzend Mitarbeiter gearbeitet haben, weit über eine bloße optische Neugestaltung hinaus. Von sofort an kommen Nutzer noch einfacher und mit besserer Lesbarkeit an Texte und auch an Kostbarkeiten der Staatsbibliothek heran, ohne einen Fuß in das Gebäude an der Ludwigstraße setzen zu müssen.

Bereits seit 1997 hat die ehrwürdige Bibliothek, die von Herzog Albrecht V. vor 463 Jahren gegründet wurde, sukzessive mit der Digitalisierung ihrer Bestände begonnen. In nun beinahe 25 Jahren haben viele fleißige Hände mit zunehmend besser werdender Technologie kostbare Handschriften, aber auch gedruckte Bücher aus verschiedenen Jahrhunderten, Musikalien, Fotografien, Zeitungen und Zeitschriften eingescannt.

Derzeit sind das insgesamt rund 2,7 Millionen digitalisierte Titel, die auf 70 Servern im Leibniz-Rechenzentrum in Garching gespeichert sind. Davon sind 2,5 Millionen sogenannte Digitalisate erstmals mit durchsuchbarem Volltext zu finden. Das heißt, die Texte lassen sich nach Stichwörtern durchforsten, was sehr hilfreich bei der Recherche sein kann. Alle, die das Angebot der BSB für nicht-kommerzielle Zwecke nutzen, haben freien Zugang. Content Sharing sei erlaubt und erwünscht, heißt es ausdrücklich aus der Staatsbibliothek.

Der Relaunch zeigt nun tatsächlich einige wesentliche Verbesserungen. Nicht nur die Suche dürfte nun effektiver sein - was man gefunden hat, ist nun auch wesentlich besser dargestellt. Altersflecken werden nicht etwa wegretuschiert oder verschwinden in Unschärfe, sie werden hochauflösend wiedergegeben, ohne das darunter die Lesbarkeit von Texten leidet. Farben von Bildern können dem Sehbedürfnis angepasst, aber auch spielerisch digital verändert werden. Eine Überblendfunktion ermöglicht, Volltext über Bilder zu legen. Zusammen mit den Bodleian Libraries Oxford, der British Library sowie den Stanford University Libraries hat die BSB ein Konsortium gegründet, um Technologien weiterzuentwickeln. Das International Image Interoperability Framework (IIIF) etwa ermöglicht das Einfügen von Bildern in Webseiten über URL statt Download.

Selbst kostbarste Bucheinbände sind digitalisiert worden. Durch stufenloses Zoomen kann man sie zu Hause am Rechner Zentimeter für Zentimeter begutachten. Beispielsweise lassen sich die gefassten Edelsteine des Reichenauer Evangeliars derart vergrößern, dass die Unregelmäßigkeiten des Schliffes erkennbar werden. Texte können gedreht, sogar gespiegelt und in verschiedenen Graustufen nuanciert werden.

Das alles mögen Spielereien sein, die nicht jeder anwenden mag. Ein großer Vorzug aber ist wohl für viele Nutzer die direkte Übersetzung von Texten von Frakturschrift, die wohl immer weniger Leser mühelos entziffern können, ins lateinische Alphabet. Durch einfaches Anklicken zeigen sich zwei Texte, die dann miteinander verglichen werden können.

Die Digitalisierung der Bestände der BSB wird auch in den nächsten Jahren stetig erweitert werden. 2020 habe es bereits 8 550 000 Zugriffe auf den Online-Katalog gegeben, außerdem 773 000 Downloads der digitalisierten Titel. Darüberhinaus verzeichnete man 854 000 Entleihungen und insgesamt 67 000 aktive Nutzer.

Nach dem langen Lockdown ist die BSB nun wieder geöffnet. Seit 16. März sind Buchausleihe, Buchrückgabe und die Zulassung in der Bibliothek möglich. Nach Angaben der Bibliothek sind derzeit bis zu 1000 Besucher täglich im Haus, vor der Pandemie waren es etwa 3000. Rein darf nur, wer sich ausweisen kann und eine FFP2-Maske trägt. Die erst vor zwei Jahren mit modernen Möbeln eingerichtete Plaza bleibt bis auf Weiteres geschlossen. Ebenso die Caféteria im unteren Bereich.

Die Bayerische Staatsbibliothek ist seit einiger Zeit Deutschlands umfangreichste Universalbibliothek. Seit der Übernahme des Fotoarchivs des Magazins Stern im Jahr 2019, darf sich die Münchner Bibliothek so bezeichnen. Die Deutsche Nationalbibliothek sei zwar mit ihren zwei Standorten in Leipzig und Frankfurt am Main größer, aber diese sammelten eben nicht universal, sondern nur aus Deutschland oder in deutscher Sprache.

Und die Planungen gehen weiter: Die nächsten Ausstellungen im Haus will man mit Fotografien aus dem Stern-Archiv und weitgehend unbekannten Bildern von den Olympischen Spielen 1972 gestalten.

Die Inhalte der Digitalen Sammlungen der Bayerischen Staatsbibliothek sind von sofort an abrufbar über die Webseite www.digitale-sammlungen.de

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, die Deutsche Nationalbibliothek befinde sich in Berlin. Das ist falsch. Die Standorte sind in Leipzig und Frankfurt am Main.

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SZ vom 22.04.2021
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