Süddeutsche Zeitung

Kommunalpolitik:So will die SPD bezahlbaren Wohnraum schaffen

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Von Dominik Hutter

Nicht weniger, sondern mehr: Die Rathaus-SPD hat ein klares Bekenntnis zum Wohnungsbau abgegeben - wobei es weniger um eine Steigerung der jährlichen Zielmarke für Neubauten als vielmehr um einen möglichst hohen Anteil mit günstigen Mieten gehen soll. "Wir wollen die Weichen stellen für bezahlbaren Wohnraum", erklärte der Fraktionsvorsitzende Christian Müller. Es gehe keineswegs um Wachstum als Selbstzweck. Aber darum, die Stadt auch in den kommenden Jahrzehnten am Laufen zu halten - Pflegekräfte, Handwerker oder Erzieher würden dringend benötigt, fänden aber keine erschwinglichen Wohnungen mehr. Zuzug und Wachstum ließen sich nicht einfach aufhalten. Aber man könne sie gestalten.

Fünf Monate vor der Kommunalwahl grenzt sich die SPD damit demonstrativ von der zunehmenden Zahl an Wachstumskritikern ab, die beim Wohnungsbau kräftig auf die Bremse treten wollen. Eine eigens für die Stadtratswahl gegründete München-Liste will explizit erreichen, dass weniger Menschen und weniger Unternehmen an die Isar ziehen - um Einschränkungen für die, die schon da sind, zu minimieren. Zusätzlich sammelt ein Bündnis aus Freien Wählern, ÖDP und mehreren Initiativen Unterschriften für ein Bürgerbegehren, das sich gegen die "maßlose Nachverdichtung" und für eine Verringerung des Baurechts in grünen Häuschenvierteln ausspricht. "Auf diese Linie können wir auf gar keinen Fall einschwenken", betonte Müller. Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums bleibe das wichtigste Thema auch in der kommenden Amtsperiode des Stadtrats.

Denn das gerne verwendete Klischee von Schicki-Micki-Zuzüglern, die gut bezahlte Jobs bei Dax-Unternehmen annehmen und mit ihren finanziellen Möglichkeiten den Mietmarkt noch anheizen, entspreche nicht der Realität, versichern Müller und seine Kollegin Heide Rieke, die Planungssprecherin der SPD-Fraktion ist. Es gehe vielmehr darum, Arbeitskräfte zu finden, die für das Funktionieren der Stadt unerlässlich seien. Und die benötigten bezahlbare Wohnungen. Handwerker zum Beispiel. Oder Pflegekräfte: Allein bei der städtischen München-Klinik seien in diesem Bereich mehr als 300 Vollzeitstellen unbesetzt, stadtweit geht es nach Schätzungen Müllers wohl um mehrere tausend. Das Bildungsreferat suche händeringend nach mehr als 600 Erziehern. "Die werden wir nicht mehr auf dem Münchner Arbeitsmarkt gewinnen können." Das Gleiche gelte für Busfahrer, Sozialarbeiter und viele andere Berufe. München habe einen enormen Arbeitskräftebedarf. Es gehe nicht darum, wie vielfach behauptet, immer weitere Firmen anzuwerben.

Wenn aber, wie demnächst auf dem Postpalast-Areal, neue Arbeitsplätze eines "Global Players" entstehen, wünscht sich die SPD mehr Engagement der Unternehmen beim Bau von Werkswohnungen. Das habe den Vorteil, dass die Vermieter genau wissen, welche Preiskategorie die eigene Klientel benötigt, so Rieke. Die Ausweisung neuer Gewerbeflächen wurde vom Stadtrat bereits ans Engagement im Wohnungsbau gekoppelt. Die SPD will bei den städtischen Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen, die Stadtwerke etwa bauten bereits Werkswohnungen. Müller berichtet aber auch über Gespräche mit dem Hotel- und Gaststättenverband, von dem man sich ebenfalls mehr Einsatz im Interesse der eigenen Mitarbeiter wünsche.

Wohnungen benötigten aber auch zahlreiche gebürtige Münchner. Denn der erkleckliche Geburtenüberschuss, den die Stadt seit einigen Jahren habe, führe demnächst dazu, dass die erwachsen gewordenen "Münchner Kindl" selbst Wohnraum benötigen. All dies gelte es zu berücksichtigen, wenn über Wohnungsbau-Moratorien oder ähnliches geredet werde, so die SPD. Bezahlbarer Wohnraum für alle zähle zum Gemeinwohl. Um die Viertel attraktiv zu halten, müssten Mieter vor Verdrängung geschützt und eine eventuelle Nachverdichtung so ausgestaltet werden, dass genug Flächen für Grün, Kultur oder angestammtes Gewerbe übrig bleibt.

"Nicht ,Bauen, bauen, bauen' allein löst die Herausforderungen am Münchner Wohnungsmarkt", erklärt Rieke. "Es ist wichtig, wer wie für wen baut, damit am Ende bezahlbarer Wohnraum und lebenswerte Viertel entstehen." Konkret beantragte die SPD, dass die Stadt Wohnbaugrundstücke nicht mehr verkauft, sondern allenfalls im Erbbaurecht für Bauherren zur Verfügung stellt. Damit soll gewährleistet sein, dass auch künftige Generationen Gestaltungsmöglichkeiten haben. Beim Erbbaurecht wird eine Fläche nicht abgegeben, sondern lediglich für einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten dem Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Am Ende dieser Phase fällt das Areal an den Eigentümer zurück - oder der Vertrag wird neu verhandelt. Um dieses Prinzip zu stärken, will die SPD einfache und gut verständliche Musterverträge ausarbeiten lassen. Zudem soll das Beratungsangebot der Mitbauzentrale ausgeweitet werden, die Anlaufstelle für Genossenschaften und Baugemeinschaften ist.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2019
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