Süddeutsche Zeitung

München:Neue Stelzen für die Stadt

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Von Stefan Mühleisen, München

Die Idee klang bestechend einfach, und die Stadt hat sie in nur elf Monaten einfach durchgezogen: Sie hat einen öden Parkplatz entdeckt und erkannt, dass man da ein Wohnhaus auf Stelzen errichten kann. Zack-zack geplant, genehmigt, gebaut. So lief das 2016 am Parkplatz für das Dantebad, ein preisgekröntes Vorzeigeprojekt des städtischen Wohnungsbauprogramms "Wohnen für alle", das vor allem Menschen mit geringem Einkommen eine Bleibe ermöglichen soll. Die SPD im Stadtrat hatte vor zwei Jahren darauf gedrungen, dass das Stelzenhaus nicht das einzige seiner Art bleiben soll. So graste das Planungsreferat das Stadtgebiet nach potenziellen Standorten ab - und ist jetzt in einigen Stadtvierteln fündig geworden.

Das erste Nachfolgeprojekt ist bereits auf dem Weg: "Dante 2" soll auf einem öffentlichen Stellplatz am Reinmarplatz in Gern hochgezogen werden. Das "gleiche in Grün" soll es werden, erklärte Gewofag-Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler vergangenen November bei einer Anwohnerversammlung. Schon 2021 soll das viergeschossige Gebäude mit 144 Wohnungen fertig sein. Doch damit nicht genug.

Voraussichtlich im März will das Referat für Stadtplanung und Bauordnung dem Planungsausschuss des Stadtrates in einer Vorlage mit dem Titel "Wohnbebauung über Parkplätzen" weitere Standorte vorstellen, auf denen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zügig Häuser hochziehen könnten. Als Nummer eins - oder "Dante 3" wenn man so will - kommt der 4000 Quadratmeter große Park-and-Ride-Platz am S-Bahnhof Westkreuz mit 130 Stellplätzen in Frage. Hier könne ein Stelzenbau entstehen, die Park-and-Ride-Nutzung integriert werden.

So eine Ruckzuck-Blaupause à la Dantebad wäre auch am Park-and-Ride-Platz Studentstadt im Stadtteil Freimann möglich, jedoch nicht angeraten, findet das Planungsreferat. Zwar ist die Fläche mit 405 Stellplätzen im Eigentum der Stadtwerke, planerisch könnte man also loslegen. Doch wegen der guten Lage plädiert die Behörde für eine "hohe Ausnutzung des Grundstücks", mithin die Fläche "in einem größeren Kontext zu überplanen". Soll heißen: als Holterdiepolter-Projekt verschenkt, wobei ohnehin die Lärmbelastung durch die nahe Autobahn, die Ungererstraße und die oberirdische U-Bahn mitgedacht werden müsse. Dennoch: Die Fläche ist im Fokus - und die CSU im Stadtrat hat am Freitag vorsorglich gefordert, einen Bebauungsplan für das Areal aufzustellen. Zuvor hatte sich der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann einem solchen Verfahren sehr zugeneigt gezeigt. "Man sollte an dieser Stelle auch keine Höhenangst haben", fasste BA-Chef Werner Lederer-Piloty die positive Haltung im Gremium zusammen.

Hingegen wäre eine Kopie des Dantebad-Prototyps auf einem städtischen Grundstück in durchaus exklusivem städtebaulichem Umfeld möglich: auf dem Parkplatz am Kölner Platz, direkt gegenüber dem Schwabinger Klinikum. Vier- bis fünf Geschosse seien dort vertretbar, so die Einschätzung der Planungsbehörde; es müsse nur noch geklärt werden, welche Bäume auf dem planungsrechtlich als allgemeine Grünfläche ausgewiesenen Gebiet erhalten bleiben müssen.

Nicht ganz so fix, aber dennoch machbar ist ein Stelzenbau auf der städtischen Parkfläche am Stefan-Zweig-Weg in Großhadern, gelegen zwischen Waldfriedhof und Bezirkssportanlage. Allerdings käme das Projekt etwas teurer, weil laut Vorlage wegen der Nähe zur geplanten Tram-Westtangente Schall- und Erschütterungsschutz nötig sei. Deswegen rät die Verwaltung, abzuwarten bis das zugehörige Planfeststellungsverfahren, wohl in der ersten Jahreshälfte 2021, abgeschlossen ist.

Die Planer in der Verwaltung haben überdies alle Parkplätze vor den Münchner Freibädern unter die Lupe genommen. Nur zwei eignen sich formal für den Wohnungsbau, sind aber Im Dalli-Dalli-Verfahren nicht zu realisieren: Der 1,1 Hektar große Parkplatz am Westbad käme zwar in Betracht. Doch von einer Bebauung wird abgeraten, eher soll das Areal zur Sportfläche werden, schlägt das Planungsreferat vor. Die umliegenden Vereine hätten schon Erweiterungsabsichten bekundet. Ohnehin sind wegen der Tram-Linie auf der Agnes-Bernauer-Straße und der Freisportanlagen Lärmschutz-Vorgaben zu beachten.

Schwierig zu gestalten ist auch der Parkplatz am Ungererbad in Schwabing. Grundsätzlich möglich, das schon. Aber nur mit "hohen Anforderungen an die Konzeptentwicklung", wie das Planungsreferat schreibt. Denn die Dreiecksfläche ist eingebettet in ein bestehendes Gefüge, obendrein bewachsen mit "gewichtigem Baumbestand", heißt es in der Vorlage. Fazit: Ein Stelzenbau nach Dantebad-Vorbild sei "nicht zielführend". Desgleichen planerisch schwierig stellt sich der Park-and-Ride-Platz am St.-Quirin-Platz in Harlaching dar. Die Umsetzung wird als zeit- und kostenintensiv beurteilt, eine Realisierung im Rahmen des "Wohnen für Alle"-Programms nicht weiterverfolgt.

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SZ vom 15.02.2020
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