Süddeutsche Zeitung

München:Parkplatz-Ärger vor Schanigärten - was erlaubt ist und was nicht

Lesezeit: 3 min

Die improvisierten Freiflächen vor Lokalen sind äußerst beliebt, doch sie bringen auch Probleme: Wo vor ihnen geparkt wird, gerät der Verkehr oft ins Stocken.

Von Andreas Schubert

Die Situation ist unübersichtlich. Zum Beispiel in der Dreimühlenstraße. Die Betreiber einer Craft-Beer-Kneipe haben auf den Parkplätzen vor ihrem Lokal aus Europaletten einen Freisitz zusammengezimmert, neben dem sie auch gerne mal ihren Lieferwagen und ein Auto mit dem Logo der Kneipe parken. Sie sind da nicht die einzigen - denn das Parken neben den sogenannten Schanigärten ist völlig legal. Man darf es nicht mit dem - verbotenen - Parken in zweiter Reiher verwechseln, auch wenn de facto eine Fahrspur komplett blockiert ist.

Das führt in der Dreimühlenstraße immer wieder zu brenzligen Situationen, denn die kleine Wohnstraße ist nicht sonderlich breit, quer parkende Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite machen sie noch enger. So staut es sich gerade am Nachmittag, wenn Anwohner zwecks Parkplatzsuche herumkurven oder auswärtige Autofahrer den täglichen Stau auf der Isartalstraße umfahren möchten - Google Maps zeigt ihnen da diesen Weg an.

Selbst Radler oder Mopedfahrer können nicht so einfach an den Schanigarten-Parkern vorbeifahren, ohne eine Kollision mit dem Gegenverkehr oder dem Spiegel des geparkten Fahrzeugs zu riskieren. Warten wäre vernünftig und angebracht - aber es lässt sich immer wieder beobachten, dass viele es halt doch probieren.

Im Glockenbachviertel ist es ähnlich, etwa in der Hans-Sachs-Straße, wo die Autos einen regelrechten Zickzack-Kurs absolvieren müssen. Und auch aus Haidhausen kommen Beschwerden von Anwohnern. Besonders am Morgen sei es etwa in der Pariser Straße und der Breisacher Straße besonders schlimm. In der Tat kommt man als Radler auch hier ins Schwitzen, nicht etwa, weil es zu heiß wäre, sondern weil man sogar beim vorbeifahren an einem der neuen Freisitze überholt wird - mangels Platz ohne den vorgeschriebenen Mindestabstand von anderthalb Meter.

Allenthalben in der Stadt haben sich die Schanigärten ausgebreitet. Der Name ist aus Wien entlehnt, wo die Freisitze schon lange so heißen. Und wegen der Corona-Pandemie wollte die Stadt München den Wirten entgegenkommen, damit sie mehr Gäste draußen bewirten können. Dass dafür Parkplätze geopfert werden mussten, wurde im Rathaus als hinnehmbar betrachtet. "Geopfert" wurden sie allerdings nicht wirklich. Es hat ein Weilchen gedauert, bis die Autofahrer gemerkt haben, dass sie sich in den meisten Fällen einfach daneben hinstellen können, ohne einen Strafzettel zu riskieren.

Das Kreisverwaltungsreferat, dem die Überwachung des ruhenden Verkehrs obliegt, teilt dazu mit: "Vor den Freischankflächen kann geparkt werden, sofern keine Behinderung erfolgt. Da nur eine einzige Reihe von parkenden Fahrzeugen möglich ist, handelt es sich hier nicht um ein unzulässiges Parken in zweiter Reihe. Wenn das Parken zu Behinderungen führt, stellt zum Beispiel die Kommunale Verkehrsüberwachung entsprechende Verwarnungen aus, mit dem Tatbestand ,Fahrverkehr erheblich behindert' (20 Euro)." Und unter einer erheblichen Behinderung verstehe man, "wenn der Begegnungsverkehr nicht mehr möglich ist", so das KVR.

Auch die Münchner Polizei erklärt, dass das Parken an den Schanigärten legal ist, solange kein Verbot eigens darauf hinweist und solange keine Behinderung erfolgt, also zum Beispiel Autofahrer noch aus ihren Parklücken oder Ausfahrten kommen und die Stelle noch passieren können. 2,55 Meter beträgt die maximale Breite eine Fahrzeugs, das entspricht der Breite eines Feuerwehr-LKW. Nimmt man dann den in der gängigen Rechtsprechung vorgeschriebenen Abstand beim Vorbeifahren von mindestens 25 Zentimeter pro Seite, müsste also eine Durchfahrtsbreite von 3,05 Meter übrig bleiben.

Dies ist an manchen Stellen nicht immer der Fall, besonders wenn ein breiter Transporter auf einem Parkplatz steht. Dass das für viele ein Ärgernis ist, dürfte den meisten dabei nicht bewusst sein. Ein Polizeisprecher erklärt dazu, wenn eine Behinderung vorliege, solle man sich nicht scheuen, die Notrufnummer 110 zu wählen. Bilder auf Twitter hochzuladen sei dagegen nicht zielführend, wer dies trotzdem tut und dabei Nummernschilder erkennbar sind, kann zudem Ärger wegen Verstoßes gegen den Datenschutz bekommen. Sollte der Stadtrat hier etwas unternehmen, etwa indem er auf die Verwaltung einwirkt an den Engstellen Halteverbote zu erlassen?

Die Politik beobachtet die Auswirkungen der Schanigärten noch. Andreas Schuster, Radverkehrssprecher der SPD, kennt die Situation in Haidhausen sehr gut und findet, dass es "ganz gut" läuft, weshalb man aktuell "nicht zwingend" etwas unternehmen müsse. Eine Auskunft bei der Verwaltung habe ergeben, dass die Hürden für ein Halteverbot in der Stadt relativ hoch seien. Man müsste nämlich bei jedem einzelnen Schanigarten prüfen, ob eine Gefährdung der Sicherheit vorliege. Schuster appelliert an die Verkehrsteilnehmer, einfach rücksichtsvoller miteinander umzugehen. "Leben und leben lassen", sagt Schuster. "Das kriegen wir schon hin."

Auch Paul Bickelbacher, Verkehrsexperte der Grünen, findet, dass man nicht unbedingt Halteverbote erlassen sollte, wenn es keine besonderen Behinderungen gebe. "Wenn man alle Parkplätze kassiert, wäre das zu viel", sagt er. Aus seiner Sicht haben die verengten Fahrbahnen auch einen verkehrsberuhigenden Aspekt. Manuel Pretzl, Fraktionschef der CSU, erklärt, Schanigärten würden als Ausdruck neuer Freiheit im öffentlichen Raum gefeiert, viele Menschen säßen gerne auf den neu gewonnenen Flächen. "Gleichzeitig war klar, dass der Parkdruck dadurch steigt. Hier zeigt sich, dass es richtig ist, die Schanigärten im Herbst wieder abzubauen", so Pretzl. Auch er plädiert für Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer. "Wo es eng wird, müssen alle aufeinander schauen - der Autofahrer, wenn er parkt, und die anderen Verkehrsteilnehmer, wenn sie vorbei möchten." Eine Überregulierung durch weitere Verbote im öffentlichen Raum sei weder wünschenswert noch zielführend.

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SZ vom 14.06.2021
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