Süddeutsche Zeitung

Gartencenter Seebauer:Umstrittene Erweiterung im Münchner Südosten

Lesezeit: 3 min

Das Gartencenter Seebauer will sich vergrößern, doch dafür müsste die Stadt eine bisher öffentliche Grünfläche eintauschen. Kritik gibt es auch an der geplanten Fällung von Bäumen.

Von Sebastian Krass

Es ist ein Bauprojekt, das seit Bekanntwerden vor etwa drei Jahren erbitterten Widerstand mit teils persönlichen Angriffen auf sich gezogen und das sogar schon den Landtag beschäftigt hat. Nun aber sieht es so aus, als komme das Gartencenter Seebauer in Ramersdorf mit einem reduzierten Entwurf für eine Erweiterung der Ladenflächen und des Parkhauses sowie den Bau von etwa 40 Werkswohnungen voran.

Mitte Februar hat Seebauer-Geschäftsführer Bernhard Gerstenkorn bei der Lokalbaukommission (LBK) einen neuen Antrag auf Vorbescheid, also auf den Vorläufer einer Baugenehmigung, eingereicht. Dieser wird geprüft. Aber Gerstenkorn ist nach den in solchen Fällen üblichen Vorgesprächen mit der Stadt guter Dinge, dass er den Vorbescheid für das Projekt bekommt, in das er nach eigenen Angaben 25 Millionen Euro investieren will. Nächster Schritt wäre ein Bauantrag, die Vorstufe zur Baugenehmigung.

Mit der Erweiterung des Geschäfts "wollen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten und die Zahl von bisher etwa 150 Arbeitsplätzen um 30 bis 40 erhöhen", sagt Gerstenkorn. Auch das gastronomische Angebot will er ausbauen. Und er wolle, betont Gerstenkorn, "dauerhaft günstigen Wohnraum in München schaffen" - auch mit dem Eigeninteresse, Seebauer zu einem attraktiveren Arbeitgeber zu machen.

Der Bau von Werkswohnungen ist eine der großen Forderungen, die OB Dieter Reiter (SPD) immer wieder an die Münchner Wirtschaft stellt. Gerstenkorn sagt, er wolle sich zu einer Bindung der Mieten an die städtischen Fördermodelle "von 30 Jahren oder vielleicht auch mehr" verpflichten. Zudem plant er im Neubau eine Kita, Beschäftigte könnten in Wohnungen oben drüber einziehen. 2018 hatte Gerstenkorn einen Antrag für einen U-förmigen Baukörper eingereicht, diesen hat er nach Einwänden von vielen Seiten Ende 2020 zurückgezogen. Nun hat er den Baukörper auf eine L-Form plus einem Laubengang, der die Kunden auf einen Rundgang durchs Gartencenter führt, reduziert.

Aus dem Stadtrat gibt es dafür ein gewichtiges positives Signal: "Am Anfang gingen uns die Planungen zu weit, aber die abgespeckte Version halten wir für gut verträglich und schlüssig", sagt Anna Hanusch, Vorsitzende von Grünen/Rosa Liste, der größten Fraktion. Der Stadtrat spielt für das Vorhaben eine Rolle, weil er einem Grundstückstausch zustimmen muss, ohne den das Projekt nicht funktionieren würde: Eine Grünfläche mit Bolzplatz zwischen Ottobrunner Straße und Adam-Berg-Straße, die an den hinteren Teil des Seebauer-Grundstücks angrenzt, soll die Stadt abtreten und dafür ein südlich angrenzendes Areal bekommen, das Gerstenkorn nach eigenen Angaben Anfang 2018 für 3,7 Millionen Euro gekauft hat, um das Bauprojekt zu ermöglichen.

Der Tausch stand auf der Tagesordnung des Kommunalausschusses am Donnerstag, wurde aber auf Bitten der Fraktion von ÖDP/Freie Wähler (FW) in die Vollversammlung am 24. März vertagt. "Bevor nicht feststeht, ob und welches Baurecht dort geschaffen werden kann, ist ein Tausch aus unserer Sicht nicht möglich", erklärt Tobias Ruff, Fraktionschef von ÖDP/FW.

Ruff spricht damit einen von zwei Punkten an, die aus Sicht der Gegnerinnen und Gegner, die in der Bürgerinitiative (BI) "Erhalt der öffentlichen Grünfläche an der Adam-Berg-Straße" agieren, kritikwürdig sind. Ihr zufolge liegt das Baufeld im sogenannten Außenbereich nach Paragraf 35 des Baugesetzbuches und dürfte nicht einfach bebaut werden. Die LBK hingegen sieht darin "einen sogenannten unbeplanten Innenbereich" nach Paragraf 34, wie ein Sprecher erklärt: Demnach sei ein Bauvorhaben "im Wesentlichen zulässig, wenn es nach Art und Maß der umliegenden Bebauung entspricht". Um diese Frage ging es auch, als das Seebauer-Projekt im Rahmen einer Landtagspetition behandelt wurde, die die Münchner Abgeordneten Markus Blume (CSU) und Uli Henkel (AfD) eng begleiteten.

Das zweite große Streitthema ist der Baumschutz. Die BI spricht von 60 alten Bäumen, die Gerstenkorn aus Profitinteresse entfernen lassen wolle. Vor einem Monat demonstrierten gut 50 Aktivistinnen und Aktivisten gegen das Bauvorhaben. ÖDP-Stadtrat Ruff sprach dabei von einem "Schwund an Lebensräumen" aufgrund der dichten Bebauung. Gerstenkorn sagt, für das Bauprojekt müssten "20 bis 30 Bäume" weichen, "dafür werden wir 40 bis 50 neue Bäume pflanzen".

Eine Facette, auf die die BI auch hinweist, ist, dass Gerstenkorns Ehefrau Hannah Gerstenkorn Stadträtin der Grünen ist. Es sei auffällig, das die Partei in diesem Fall nicht für Bäume kämpfe. Grünen-Fraktionschefin Hanusch weist das zurück: "Wir sind nicht glücklich, wenn Bäume fallen. Aber es geht in der Abwägung auch darum, dass wir günstigen Wohnraum brauchen und Münchner Unternehmen stärken wollen." Hannah Gerstenkorn sitze in keinem zuständigen Ausschuss und sei nicht in Gespräche der Fraktion über das Thema involviert, sagt Hanusch. Man habe sie aber nach zahlreichen Angriffen "persönlich unterstützt". Ob Gerstenkorn in der Vollversammlung abstimme oder nicht, das kläre die Rechtsabteilung.

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SZ vom 12.03.2021
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