Süddeutsche Zeitung

Prozess um Zwangsprostitution:Freier im 15-Minuten-Takt

Lesezeit: 2 min

Zwangsprostitution, Zuhälterei, Erpressung: Robert C. soll über Jahre Frauen brutal ausgebeutet haben. Vor dem Münchner Landgericht schweigt er zu den Vorwürfen.

Von Susi Wimmer

Auf der Anklagebank sitzt ein Mann mit schlohweißem Haar. 60 Jahre alt ist Robert C., aber er wirkt älter. Kaum zu glauben, dass der Augsburger im Rotlicht-Milieu eine feste Größe gewesen sein soll, dass er Frauen gezwungen haben soll, im Viertelstunden-Takt Freier zu bedienen, er sie bedroht und groß abkassiert hat. So sieht es zumindest die Staatsanwaltschaft, die Robert C. schwere Zwangsprostitution, Zuhälterei, Erpressung und Körperverletzung vorwirft. Seit Mittwoch sitzt C. vor der achten Strafkammer von Richter Gilbert Wolf am Landgericht München I, die in sechs Verhandlungstagen zu einem Urteil kommen will.

Robert C. ist erheblich vorbestraft. Drei Anwälte haben in der Reihe hinter dem Angeklagten Platz genommen. Einer von ihnen, Daniel Peter, sagt zum Prozessauftakt, dass ihr Mandant erst mal nichts sagt. Hinter dem linken Ohr hat Robert C. drei Kreuze tätowiert, auf seiner linken Hand prangt der Tattoo-Schriftzug "Veritas", lateinisch für Wahrheit. Als Beruf gibt er "Kaufmann" an.

Seit fast einem Jahr sitzt Robert C. nun in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem vor, dass er die damals 24-jährige Milena B. (Namen aller Frauen geändert) bedroht und ausgebeutet hat. Die junge Frau hatte im Jahr 2017 Schulden in Höhe von 15 000 Euro - und beschloss von sich aus, etwa eine Woche im Monat der Prostitution nachzugehen. Da sie sich alleine schutzlos fühlte und sich die Kontaktaufnahme mit Kunden schwierig gestaltete, kontaktierte sie Robert C., der zu dieser Zeit an der Leitung eines Bordells in Augsburg beteiligt war. 30 Prozent wollte sie C. von ihren Einnahmen abgeben, er verlangte die Hälfte.

1000 Euro täglich habe Milena B. für ihren Peiniger verdienen müssen

Knapp zwei Jahre lang musste sich die Frau laut Anklage nach den Vorstellungen von Robert C. prostituieren. C. soll ihr Schläge angedroht und sie gezwungen haben, pro Woche mindestens 7000 Euro heranzuschaffen, also 1000 Euro täglich. Sie allein kam für Zimmermieten, Fahrtkosten und Internetwerbung auf, er kontrollierte täglich ihre Verdienste, die Zahl ihrer Freier, ihre Arbeitszeit. Die Staatsanwaltschaft rechnet vor, dass C. der Frau mindestens 300 000 Euro abgenommen haben muss.

Milena B. hatte sich zu Beginn und zum Ende ihrer Arbeit zu melden, mehr als eine Woche Urlaub am Stück gestand er ihr nicht zu, bei Widerreden drohte er ihr mit Gewalt. Auch als die junge Frau unter massiven körperlichen und seelischen Beschwerden litt, soll er sie gezwungen haben, weiter im 15-Minuten-Takt Freier zu empfangen. Die Frau soll kaum Pausen zum Essen gehabt haben. Und als sie habe aufhören wollen, soll er gesagt haben: "Ich habe meine Jungs und meine Augen überall." Als Milena B. Ende 2019 endgültig aussteigen wollte, soll er eine "Abstandssumme" von 60 000 Euro verlangt haben, was die junge Frau weiter in die Schuldenspirale trieb.

Auch Alexandra R., zu der Robert C. eine emotionale Bindung aufbaute, soll er zur Prostitution gezwungen haben. Die damals 23-Jährige musste sämtliche Einnahmen bei ihm abgeben, von morgens bis spätnachts Freier empfangen, sieben Tage die Woche. An den nächsten Prozesstagen sollen die Frauen aussagen.

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