Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:Umstrittene Äußerungen

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Ein LMU-Professor streitet vor Gericht mit der Grünen Jugend und anderen linken Organisationen.

Von Stephan Handel

Michael Meyen, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, legt sich mit der Grünen Jugend München und anderen linken Organisationen an: Vor dem Landgericht versucht Meyen, eine Einstweilige Verfügung zu erwirken, durch die dem "Linken Bündnis gegen Antisemitismus" (LBGA) einige Formulierungen in einem Artikel über Michael Meyen auf ihrer Website untersagt werden soll. In der Verhandlung am Mittwoch ließ das Gericht erkennen, dass es zumindest einige der angegriffenen acht Äußerungen für von der Meinungsfreiheit gedeckt halten könnte.

Das LGBA ist ein Zusammenschluss der Grünen Jugend, der Linksjugend, der emanzipatorischen Linken und der Sozialistischen Jugend Deutschland (SJD). Am 1. Dezember des vergangenen Jahres erschien auf der Internetseite des LBGA ein Beitrag unter der Überschrift "Michael Meyen und das Antisemitismusproblem an der LMU München". Ein Autor wird nicht genannt. Der Artikel verspricht in seinem Vorspann, er wolle einen "Überblick über das fragwürdige Schaffen des Münchner Professors" liefern.

Der Text, acht Druckseiten lang, gliedert sich hauptsächlich in vier Angriffspunkte: Meyens (angebliche) Verbindungen zu BDS, jener Organisation, die zum wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Boykott des Staates Israel aufruft und die 2019 vom Bundestag als antisemitisch bewertet wurde, sodann seinen Kontakt zu Ken Jebsen, der unter KenFM einen in einschlägigen Kreisen erfolgreichen rechten Verschwörungs-Kanal betreibt, seine Zusammenarbeit mit dem Online-Magazin Rubikon, das unter anderem auch mit Ken Jebsen kooperiert, sowie seine - Meyens - angebliche Annäherung an die sogenannten "Corona-Rebell*innen".

Nach den Schilderungen von Meyens Aktivitäten zieht der Autor Schlussfolgerungen - meistens der Art, dass der Professor sich mit Antisemiten gemein mache oder ihnen helfe, ihre Thesen zu verbreiten. Gegen insgesamt acht dieser Schlussfolgerungen geht Meyen nun gerichtlich vor - so etwa gegen die Formulierung, er mache sich "zum Gehilfen antisemitischer Agitation".

Meyen verteidigt sich: ihm als Kommunikationswissenschaftler sei es wichtig, dass in einer Gesellschaft alle Stimmen gehört würden

Petra Gröncke-Müller, die Vorsitzende Richterin der 25. Zivilkammer, erklärte zu Beginn, man müsse zunächst klären, was Antisemitismus denn sei: Gehe es um die sehr weitgefasste Definition der Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus dem Jahr 2005? Oder sei Antisemit nur der, der irgendwie gut findet, was die Nazis von 1933 bis 1945 gemacht haben? Mit Blick auf den Text, um den es geht, meinte Gröncke-Müller, es sei wohl die weiter gefasste Definition maßgeblich.

Michael Meyen hatte sich gegen alle Anwürfe immer damit verteidigt, ihm als Kommunikationswissenschaftler sei es wichtig, dass in einer Gesellschaft alle Stimmen gehört würden. Diese Verteidigungslinie baute er auch in der Verhandlung auf - traf dabei aber auf Widerstand seitens des Anwalts der Grünen Jugend, Alexander Hoffmann, der per Videoübertragung aus seiner Kanzlei in Kiel zugeschaltet war: Meyen trage durch seinen Tätigkeit dazu bei, Antisemiten ein Forum zu verschaffen, sodass ihre Thesen salonfähig würden - als wäre Antisemitismus eine diskutable Meinung wie andere auch, so Hoffmann.

Am Ende stellte Petra Gröncke-Müller fest: Es gehe nicht darum, ob die in dem LBGA-Artikel geäußerten Meinungen wahr oder falsch seien, sondern ob es "ausreichende Anhaltspunkte" gebe, zu einer solchen Meinung zu kommen. Eine Entscheidung will das Gericht am 12. März verkünden.

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SZ vom 18.02.2021
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