Süddeutsche Zeitung

Hahnenschrei und Wüterei:Kurioser Nachbarschaftsstreit beschäftigt Gericht

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Von Andreas Salch

Ein kurioser Nachbarschaftsstreit im noblen Bogenhausen hat jetzt gleich zwei Abteilungen des Münchner Amtsgerichts beschäftigt. Zunächst ein Zivilgericht, dann ein Strafgericht. Es ging dabei um gackernde Hühner, einen krähenden Hahn, jede Menge Laub und die unverhohlene Drohung, ein Haus abzufackeln. Ausgelöst wurde der Zwist von einem 58 Jahre alten Privatier. Dieser hatte sich im Sommer 2017 einen Hahn nebst mehreren Hennen zugelegt. Seinem Nachbarn war das jedoch ein Dorn im Auge. Der Hahn nämlich machte sich täglich morgens ab vier Uhr durch lautes Krähen bemerkbar. Die Hühner, so klagte der genervte Nachbar, würden ebenfalls von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unablässig gackern. Und dann sei da auch noch der Gestank des Federviehs.

Die Eskalation ließ nicht lange auf sich warten: Im Herbst vergangenen Jahres begann der hühnerhaltende Privatier damit, Laub aus seinem Garten über den Zaun des Nachbarn zu werfen. Die bunten Blätter stammten von einer alten Hängebuche auf dessen Grundstück. Eine Aufforderung des Nachbarn, damit aufzuhören, Laub in seinen Garten zu werfen, schlug der Privatier in den Wind und machte einfach weiter. Im Februar dieses Jahres trafen sich die Kontrahenten vor einem Zivilgericht am Amtsgericht München wieder. Die zuständige Richterin entschied, Hühnerhaltung in einer reinen Wohngegend sei keine "ortsübliche Nutzung". Und im Hinblick auf das über den Gartenzaun geworfene Laub stellte sie fest, dass sich der beklagte Privatier "gegen den eventuell überhängenden Baum, nicht aber gegen das herabfallende Laub zu Wehr setzen kann". Zwei zu null für den Nachbarn also. Doch der Streit ging nach dem Urteil weiter und nahm sogar noch an Schärfe zu.

Noch am Abend des Tages, an dem er vor dem Zivilgericht eine Schlappe erlitten hatte, verfasste der Privatier einen geharnischten Brief mit brisantem Inhalt an seinen Nachbarn. Darin drohte er, ihm sein Haus anzuzünden, sollte er nicht seine Klage vor dem Zivilgericht zurücknehmen. Außerdem forderte er 10 000 Euro. Es kam daraufhin zu einer weiteren Gerichtsverhandlung, diesmal einem Strafverfahren vor einem Schöffengericht am Amtsgericht München.

Da der Privatier beim ersten Termin unentschuldigt fehlte, hatte der Vorsitzende Richter kurzerhand einen Haftbefehl erlassen. Der Privatier musste eine Nacht in einer Zelle verbringen. Nachdem er versichert hatte, beim nächsten Mal pünktlich zu der Verhandlung zu erscheinen, wurde der Haftbefehl aufgehoben. Vor dem Strafrichter gab sich der 58-Jährige dann kleinlaut. Ohne Umschweife räumte er die Sache mit dem Brief ein. Er habe sich damals in einer Ausnahmesituation befunden; außerdem habe er fünf Bier getrunken, bevor er den Brief an seinen Nachbarn geschrieben habe. Er habe ihm damit "lediglich Angst einjagen" wollen, beteuerte der Privatier. Die 10 000 Euro hätte er nicht für sich behalten, sondern einer gemeinnützigen Einrichtung gespendet.

Zwar wertete der Vorsitzende Richter das Geständnis zu Gunsten des 58-Jährigen. Gleichwohl habe der Angeklagte seinen Nachbarn erpressen wollen und "potenziell auch mit dem Tod bedroht", indem er geschrieben habe, dessen Haus gegebenenfalls anzuzünden. Wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilte das Gericht den Privatier zu sieben Monaten Haft auf Bewährung und wies ihn an, 3000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu überweisen. Beide Urteile (Az. 824 Ls 256 Js 122450/19 und Az. 233 C 19258/18) sind rechtskräftig.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2019
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