Süddeutsche Zeitung

Kriminalstatistik:Die sicherste Stadt Deutschlands ist noch sicherer geworden

Lesezeit: 3 min

München belegt in der Kriminalstatistik der Großstädte erneut den ersten Platz. Die Zahl der Wohnungseinbrüche etwa sinkt wegen der vielen Menschen im Homeoffice auf einen neuen Tiefstand. Warum der Polizeipräsident dennoch skeptisch bleibt.

Von Joachim Mölter

Während die Fußballer des FC Bayern sich noch mühen, ihren 32. nationalen Meistertitel zu erringen, können sich die hiesigen Polizei-Profis bereits rühmen, erneut den ersten Platz in Deutschland zu belegen - und das sogar schon zum 46. Mal. In der Kriminalstatistik der Großstädte mit mehr als 200 000 Einwohnern liegt München mit 4712 Straftaten pro 100 000 Einwohner deutlich an der Tabellenspitze, weit vor Hamburg (9484), Köln (9863) oder Frankfurt (10 908). Aus Berlin lagen für 2021 noch keine Zahlen vor, 2020 waren es dort 13 330.

Bei der Präsentation der Kriminalitätsbilanz für 2021 resümierte Münchens Polizeipräsident Thomas Hampel am Freitag überdies, dass die sicherste Stadt des Landes noch sicherer geworden ist: Bei fast allen Delikten sind die Fallzahlen zurückgegangen und die Aufklärungsquoten gestiegen.

So erfreulich die Entwicklung auf den ersten Blick auch ist - Hampel will sie nicht überbewerten. "In der Gesamtschau ist festzustellen, dass die Corona-Pandemie auch 2021 enorme Auswirkungen auf die Kriminalitätsentwicklung hatte", sagte er.

So waren beispielsweise wegen der Ausgangsbeschränkungen und des Arbeitens im Home-Office viel mehr Menschen zu Hause, was den Einbrechern das Handwerk erschwerte. Die Zahl der Wohnungseinbrüche sank deshalb von bereits vergleichsweise niedrigen 1007 Fällen im Jahr 2020 auf das Rekordtief von 415 - wobei es auch noch in jedem zweiten Fall beim Versuch blieb. "Wir müssen realistisch sein und davon ausgehen, dass die Deliktszahlen nach Wegfall des Corona-Effekts auch wieder steigen können", warnte Hampel.

Auch wenn die Straftaten in der Stadt und im Landkreis München insgesamt zurückgegangen sind, um knapp zehn Prozent auf 91 014, so gab es 2021 doch auch bemerkenswerte Steigerungen in einigen Bereichen. Dabei scheint die Gewalttat vom vorigen Montag in Milbertshofen einen traurigen Trend zu bestätigen: Am Korbinianplatz waren bei einer Auseinandersetzung mit Stichwaffen ein 18-Jähriger tödlich und ein 15-Jähriger schwer verletzt worden.

Im vergangenen Jahr sind die unter dem Schlagwort "Messerangriff" zusammengefassten Taten (zu denen Attacken mit spitzen Gegenständen aller Art gezählt werden) zwar insgesamt zurückgegangen (von 167 auf 134 Fälle), aber innerhalb dieser Zahlen hat sich der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden auf mehr als ein Drittel verdoppelt.

"Einen durchgängigen Erklärungsansatz haben wir nicht", warum Jugendliche offensichtlich schneller zum Messer greifen als früher, räumte Hampel ein. "Messerangriffe" werden erst seit 2020 in der polizeilichen Statistik erfasst, insofern sei die Bilanz 2021 "eine Momentaufnahme für ein Jahr", sagte der Polizeipräsident: "Wir müssen schauen, wie sich das langfristig entwickelt."

Bei Gewaltstraftaten gibt es ein Minus von 14,3 Prozent

Im Bereich der Jugendkriminalität hat Hampel im Vorjahr generell eine "signifikante Zunahme der tatverdächtigen Kinder" registriert; so seien 2021 allein bei den gefährlichen Körperverletzungen 66 Kinder mehr unter Tatverdacht geraten als im Vorjahr - wobei die Gruppe der unter 14-Jährigen laut Gesetz ja noch nicht strafmündig ist. Auch auf Opfer-Seite ragt diese Altersgruppe wegen eines gegenläufigen Trends aus der Statistik heraus: Die Verbreitung von kinderpornografischen Schriften hat ebenfalls zugenommen, um fast 16 Prozent auf nun 303 Delikte.

Das Münchner Präsidium reagiert auf diesen Trend, indem es bei der Kriminalpolizei ein eigenes Kommissariat einrichtet, das sich mit der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder sowie von Kinder- und Jugendpornografie beschäftigt. Das neue Kommissariat 17 soll am 5. April seine Arbeit aufnehmen.

Insgesamt überwiegen in der Kriminalstatistik für 2021 jedoch die positiven Aspekte. So sind die Gewaltstraftaten zurückgegangen auf insgesamt 3496 Delikte, ein Minus von 14,3 Prozent. Mit 2723 Taten bewegen sich dabei die Fälle von schwerer oder gefährlicher Körperverletzung auf dem niedrigsten Stand seit 2001. Von diesen Straftaten, so Hampel weiter, werden 82 Prozent aufgeklärt. Noch besser sieht es bei Mord- und Totschlagsdelikten aus: Von den 31 versuchten und 15 vollendeten Taten ist nur eine noch ungeklärt.

Dank der Ermittlungs- und der Präventionsarbeit ist auch das Phänomen des Callcenterbetrugs zurückgegangen, um knapp 30 Prozent. Von den 4870 registrierten Fällen entfallen die meisten auf die Masche mit den falschen Polizeibeamten, nämlich 4310.

Noch eine auffallende Entwicklung hat es gegeben: In der Rubrik der politisch motivierten Kriminalität stiegen die Fälle, die weder dem rechten, noch dem linken, noch einem religiösen Spektrum zuzuordnen waren, auf fast das Doppelte. Bei den meisten dieser 833 nicht eindeutigen Delikte gab es einen Bezug zu den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen.

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