Süddeutsche Zeitung

Deutsch-polnische Polizeizusammenarbeit:Schlag gegen die Schockanrufer-Kriminalität

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Sie überrumpeln ältere Menschen am Telefon und erbeuten mitunter zehntausende Euro: Nun gelang es Ermittlern, die Hintermänner einer Telefontrick-Gruppe festzunehmen. Eine Frau, die das Geld bei Opfern in München abholte, führte die Polizei auf die Spur.

Von Stephan Handel

Der Münchner Polizei ist in Zusammenarbeit mit polnischen Behörden ein starker Schlag gegen die Schockanrufer-Kriminalität gelungen. In den vergangenen Wochen und Monaten wurden in Deutschland mehrere sogenannte "Abholer" festgenommen, deren Vernehmungen dazu führten, dass in Polen, etwa in Krakau und Posen, hochrangige Hintermänner der kriminellen Organisationen verhaftet wurden.

Die Schockanrufer suchen als Ziel für ihre Verbrechen zumeist ältere Bürger aus. Diesen wird am Telefon eine hochdramatische Geschichte erzählt. So erhielt eine 75-jährige Münchnerin Anfang Juni einen Anruf von einer angeblichen Oberstaatsanwältin: Ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht, sie müsse mehrere 10 000 Euro Kaution zahlen, sonst müsse die Tochter in Haft. Die Frau ließ sich überreden, hob eine hohe Bargeldsumme von ihrem Konto ab und übergab sie einer Frau. Diese sagte, dass die Tochter in zwei Stunden von der Polizei nach Hause gefahren werde. Als das nicht geschah, wandte sich die Münchnerin selbst an die Polizei - und die Betrügerei flog auf.

Allerdings konnte die Münchner Polizei die Abholerin schnell ermitteln und sie in Augsburg festnehmen. Sie sitzt derzeit in Untersuchungshaft und wartet auf ihren Prozess. Jedoch: "Die Abholer sind nur die untersten Glieder in der Kette", sagt Hans-Peter Chloupek, der im Polizeipräsidium München die "AG Phänomene" leitet. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit allen Arten von Telefontricks - zunächst waren es die falschen Polizisten und der Enkeltrick, beide zumeist von der Türkei ausgehend, und nun die Schockanrufe, deren Spur sich regelmäßig nach Polen zurückverfolgen lässt.

In der Kooperation zwischen deutscher Polizei und deutscher Staatsanwaltschaft mit den polnischen Kollegen ist es nun gelungen, in Polen drei höherrangige "Logistiker" festzunehmen; sie sind zuständig für die Einteilung der "Mitarbeiter" und den reibungslosen Ablauf der Aktionen inklusive des Transports der Beute nach Polen. Die polnischen Ermittler veröffentlichten bei Facebook ein Video der Festnahme samt martialischer Musik - zur Abschreckung anderer Täter, wie es heißt.

Einer der "Logistiker" soll an mindestens 22 Fällen in Deutschland beteiligt sein, bei denen ein Schaden von mehr als einer Million Euro entstanden ist.

Hans-Peter Chloupek beschreibt, dass er oft gegen Windmühlen kämpft. Aber: "Wenn wir den Fahndungsdruck verstärken und es auch zu Festnahmen kommt, dann wird es für eine gewiss Zeit deutlich ruhiger. Wenn die Banden ihre Strukturen aber neu aufgebaut haben, dann geht's wieder los."

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