Süddeutsche Zeitung

Osram:Mitarbeiter protestieren gegen Stellenabbau

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Von Bernhard Hiergeist

Einmal buhen am Montagmittag die Osram-Beschäftigten dann sogar eine verbündete Betriebsrätin aus. Die Kollegin vertritt das Regensburger Werk und hat den Konzern gerade als wichtiges deutsches Kulturgut bezeichnet. "Der Konzern gehört zu Deutschland wie das Brandenburger Tor oder der FC Bayern." Allzu viele Fans scheint der Fußballverein unter den Beschäftigten nicht zu haben. Buh-Rufe richten sich gegen die Bühne. Allerdings nur kurz, dann ertönen wieder Trillerpfeifen und Ratschen. In der Sache gibt man der Kollegin ja recht. Der ehemalige Glühbirnen- und heutige Auto-, Sensorlicht- und Leuchtmittelsysteme-Konzern blickt auf eine 101-jährige Geschichte zurück. Grundschüler lernen schon, dass sich der Name aus zwei chemischen Elementen zusammensetzt. Und die Osram-Reklame ("Hell wie der lichte Tag") prägte über Jahrzehnte den Stachus.

Die Reklame wurde vor wenigen Wochen abgehängt, aus technischen Gründen, wie es hieß. Aber es fügt sich als Symbol natürlich passend ein in das Bild von einer düsteren Zukunft, das am Montag vor der Konzernzentrale in Schwabing gemalt wird. 800 Beschäftigte aus den Osram-Werken im süddeutschen Raum haben sich versammelt und fürchten, dass die lange Unternehmenstradition in absehbarer Zeit zu Ende geht. 800 Entlassungen soll es - so die Gewerkschaft - geben, jeder Siebte der 5600 Beschäftigten in Deutschland müsste gehen. Dazu wird bei Innovation und Forschung gespart. Schuld daran ist laut Klaus Abel, Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat: das Management um Vorstand Olaf Berlien, das sich eher Zahlen und Aktionären verpflichtet sehe als der Belegschaft. Und das den Konzern darum "kaputtspart". "Aber ihr seid Osram", sagt Abel am Montag zu den Beschäftigten. "Ihr schöpft den Wert, aus dem Vorstand und Aktionäre ihren Nutzen ziehen."

Osram leidet derzeit unter der schwachen Nachfrage aus der Autoindustrie. Der Umsatz brach im vergangenen Geschäftsjahr ein, im selben Zeitraum steht ein Verlust von 343 Millionen Euro zu Buche. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müsse man operative und strukturelle Maßnahmen ergreifen, teilte der Konzern am Montag mit, ohne dabei explizit auf die Protestaktion in München und eine weitere am Standort Berlin einzugehen. "Mögliche Einschnitte wird Osram so sozialverträglich wie möglich gestalten."

Um die Schieflage hinter sich zu lassen, empfiehlt Osram seinen Aktionären, ein Übernahmeangebot des österreichischen Halbleiterherstellers AMS zu akzeptieren. Im Falle der Übernahme soll bis Ende 2022 niemand wegen der Fusion gehen müssen. Gewerkschaftsvertreter Abel sagt dazu am Montag: Fusionsbedingte Kündigungen brauche es vielleicht gar nicht mehr, wenn Osram schon vorher viele Beschäftigte entlässt. Außerdem bleibe immer noch die Gefahr der "marktbedingten Kündigungen". Ohnehin ist ungewiss, wie es nach einer Fusion mit Osram weitergehen würde. Die Österreicher sind kleiner als der deutsche Konzern und müssten für die Übernahme einen Milliardenkredit aufnehmen. Es wird bereits gemutmaßt, ob AMS vor allem an den Osram-Patenten und vereinzelten Produktionsstätten interessiert ist - und den Rest abstößt. Im schlimmsten Fall sieht Klaus Abel eine komplette Zerschlagung Osrams. "AMS ist nicht die Lösung, AMS vergrößert die Probleme sogar noch."

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Quelle:
SZ vom 19.11.2019
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