Süddeutsche Zeitung

Olympiazentrum:Ein Kunstkonzept für den Busbahnhof

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Seit 2007 vergammelt der Ort am Olympiagelände, inzwischen fürchtet die Stadt um die Standsicherheit der Dachkonstruktion. Zur 50-Jahr-Feier der Spiele von 1972 ist eine optische Aufwertung geplant.

Von Lea Kramer, Olympiadorf

Hier und da wächst Gras aus den Ritzen zwischen den Pflastersteinen. In der Mitte des Geländes ist das Wenderondell zugewuchert. Zwischen Bäumen und Sträuchern ragt eine Standuhr hervor. Ihre Zeiger stehen auf kurz vor zwölf, schon seit Jahren. Sehr lange Zeit hat sich am alten Busbahnhof Olympiazentrum nichts mehr bewegt. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird darüber gestritten, wie die einst für die Olympischen Spiele 1972 eingerichtete Haltestelle genutzt werden kann. Kurz bevor sich die Spiele zum 50. Mal jähren, scheint es an dem maroden Bahnhof doch noch voranzugehen.

"Wir warten jetzt seit 15 Jahren, dass dort etwas passiert. Es gab eine Bürgerversammlung, einen runden Tisch, es sollte einen Wettbewerb geben. Aus allem ist nichts geworden. Es ist nur Märchenstunde", sagt Erich Tomsche (CSU), stellvertretender Vorsitzender im Bezirksausschuss (BA) Milbertshofen-Am Hart. Der Lokalpolitiker gerät regelmäßig in Rage, wenn es um den aufgelassenen Busbahnhof geht. Wenn er durchs Olympiadorf gehe, werde er "permanent" auf das Gelände angesprochen. Er frage sich, was seine Aufgabe als BA-Mitglied sei, wenn Anträge zum Busbahnhof grundsätzlich abgelehnt würden.

Tatsächlich taucht der Busbahnhof, seit er infolge der Verlängerung der U 3 zum Olympia-Einkaufszentrum nicht mehr gebraucht wird, immer wieder auf den Tagesordnungen des Stadtteilgremiums auf. Zuletzt hatte der BA im Februar die Stadt aufgefordert, den Bewohnern des Stadtbezirks darzulegen, was für die Feierlichkeiten zu 50 Jahren Olympia 72 auf dem Gelände des alten Busbahnhofs geplant ist. Das wiederum war eine Reaktion auf die Absage der Stadt an ein vom BA initiiertes Streetfood-Festival, das diesen Sommer hätte stattfinden sollen. Das Mobilitätsreferat hatte auf den sanierungsbedürftigen Zustand des Daches verwiesen. Daher fehle die Verkehrssicherheit an der Haltestelle. "Entsprechend ist dieser Bereich gesperrt und kann bis vor den European Championships 2022 auch keiner Nutzung zugeführt werden", hieß es in einem Schreiben aus dem Referat.

2023 soll die Überdachung der Haltestelle saniert werden. Offenbar eine nicht ganz unproblematische Angelegenheit. Der Bahnhof war ein wichtiger Bestandteil des Verkehrskonzepts, das die Architekten Behnisch & Partner sowie der Landschaftsarchitekt Günther Grzimek für das Olympiagelände 1972 erdacht hatten. Deshalb ist die Überdachung selbst zwar kein Denkmal, gehört aber zum geschützten Ensemble Olympiapark, für das die Stadt eine Bewerbung zur Aufnahme in die Weltkulturerbe-Liste der Unesco laufen hat. Das macht eine Umnutzung des Haltestellengeländes zwar nicht unmöglich, einfach abgerissen werden darf die Konstruktion aber nicht. Der Stadtrat hatte 2018 eine Umgestaltung beschlossen: Das Areal sollte optisch näher an den Park herangerückt werden. Am alten Busbahnhof könnten diesen Plänen zufolge ein Besucherzentrum sowie eine Mobilitätsstation für Elektrofahrzeuge entstehen.

Im Zuge dieser Umgestaltung wollte die Stadt das Gelände eigentlich von den Stadtwerken München (SWM) kaufen. Die städtische Tochter bestätigt, dass ein Grundstücksverkauf "bis zur Unterschriftsreife verhandelt und vertraglich vollständig vorbereitet" worden sei. Allerdings sei die Stadt Anfang 2020 schriftlich vom Grundstückskauf zurückgetreten. Das für die städtischen Immobiliengeschäfte zuständige Kommunalreferat bestätigt dies. "Die Gründe lagen vor allem darin, dass eine Trennung der oberirdischen Nutzung und des darunter liegenden U-Bahn-Bauwerks nicht möglich ist", sagt Sprecherin Maren Kowitz. Somit hätte die Stadt "faktisch keinen eigenen Gestaltungsspielraum" auf dem Areal gehabt. Das Gelände bleibt also bei den Stadtwerken, für seine Instandhaltung ist der Betreiber der Haltestellen am Olympiazentrum verantwortlich, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG).

Die verworrenen Eigentumsverhältnisse und Zuständigkeiten sind einer schnellen Belebung des Platzes offenbar wenig zuträglich. Die SWM hat jetzt aber ankündigt, dass sie den Bereich um den Busbahnhof für die European Championships sowie die 50-Jahr-Feier der Olympischen Spiele 2022 öffentlich zugänglich machen will. Dafür wird zunächst das kaputte Dach abgebaut. "Als Beitrag zur 50-Jahr-Feier und zur Aufwertung der Fläche in der Interimsphase wird ein Kunstkonzept durch das Museum of Urban and Contemporary Art (Muca) umgesetzt", sagt SWM-Sprecherin Doris Betzl. Welche Kunst am Busbahnhof installiert werden soll, ist allerdings noch nicht spruchreif. "Vorgesehen ist eine kontextuelle Bezugnahme zu den Olympischen Spielen 1972", sagt Betzl. Muca-Mitgründerin Stephanie Utz verweist ebenfalls darauf, dass sich das Projekt noch in einem "sehr frühen Stadium" befinde. Gerade bereitet sie die Eröffnung des alten Gesundheitshauses an der Dachauer Straße vor, das das Muca als Kreativ- und Kunstlabor fünf Jahre lang bespielen wird.

Bleibt noch das kulinarische Fest, das sich der BA am alten Busbahnhof gewünscht hatte. Vonseiten der Stadtwerke heißt es dazu: "Weitere Nutzungen wie eine Aufstellung von Food-Trucks sind in Abstimmung." Das hört sich zumindest so an, als könnte ein Streetfood-Festival im kommenden Jahr stattfinden. Und dann muss nur noch ganz viel Gras über die Pflastersteine wachsen, damit der Busbahnhof zum einst gewünschten grünen Portal in den Olympiapark wird.

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SZ vom 13.07.2021
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