Süddeutsche Zeitung

Gründung der NSDAP vor 100 Jahren:"Wir nehmen das Thema sehr ernst"

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Um rechte Aufmärsche an diesem Tag zu verhindern, hat die Satirepartei "Die Partei" unter dem Motto "Fasching statt Faschos" Mahnwachen vor Gebäuden angemeldet, die von den Nazis für ihre Zwecke missbraucht wurden.

Interview von Sabine Buchwald

Es war am Abend des 24. Februar 1920, als ein noch weitgehend unbekannter Adolf Hitler im Münchner Hofbräuhaus das Programm seiner Partei deklamierte, die sich von Deutsche Arbeiterpartei (DAP) in NSDAP umbenannt hatte. Das Datum gilt als Gründungstag der NSDAP. Auf Initiative der Münchner Mitglieder von "Die Partei" wird es an diesem Montag von acht bis 12.30 Uhr Mahnwachen an Orten in München geben, die von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke missbraucht oder errichtet wurden. Danach trifft man sich zur Demonstration am Odeonsplatz. Die Fäden für die Aktion, die verhindern soll, dass Neonazis diesen Tag mit Präsenz feiern, laufen bei Jerome Sturmes zusammen. Er ist Stadtratskandidat der selbsternannten Satirepartei.

SZ: Mahnwachen am Rosenmontag unter dem Motto "Fasching statt Faschos". Ist das ein Witz?

Jerome Sturmes: Nein, wir nutzen nur den historischen Zufall, dass dieser Jahrestag der Gründung der NSDAP auf den Rosenmontag fällt. Wir setzen uns ein für ein fröhliches, buntes München - zusammen mit Menschen, die sich gegen Faschismus aussprechen. Und wir wollen das Datum neu und positiv besetzen.

Nur Spaßbremsen können also diesen Slogan banal finden und missverstehen?

Als Partei, die eigentlich für Satire bekannt ist, verzichten wir diesmal bewusst darauf. Wir werden nicht mit roten Nasen auftauchen. Die Würde der Opfer zu verletzen, liegt uns fern. Wir nehmen das Thema sehr ernst und wollen das auch nach außen tragen. Die Leute um uns herum dürfen aber gerne maskiert kommen.

Warum deklarieren Sie Ihr Auftreten vor den Gebäuden als Mahnwachen?

Das hat den Vorteil, dass wir aktiv auf die Leute zugehen dürfen, was etwa bei reinen Infoständen nicht erlaubt ist. Außerdem bekommen wir Polizeibegleitung. Wir versuchen, die Mahnwachen klein zu halten, um die Polizei nicht übermäßig zu belasten. Am Prinzregentenplatz, wo Hitler wohnte, ist jetzt ohnehin eine Polizeiinspektion.

Was befürchten Sie, könnte bei der Aktion passieren?

Wir haben von der Stadt keine Rückmeldung bekommen, dass sich rechte Gruppen angemeldet haben. Und wir haben bis jetzt keinerlei Drohungen erhalten. Aber es könnte schon sein, dass das eine oder andere bekannte Gesicht aus der neurechten Szene auftaucht.

Wie werden Sie reagieren?

Nicht in die Konfrontation gehen, eher den Kontakt zur Polizei suchen. Am liebsten wäre uns natürlich, wenn alles friedlich verliefe.

Warum bringen Sie diesen Jahrestag in die Öffentlichkeit?

Die Grundidee war, die Stadt zu blockieren, um Aufmärsche der Rechten zu verhindern. Seit einem Jahr reden wir intern darüber, ob und wie wir das machen. Allein in dieser Zeit hat sich die politische Situation verändert. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass wir über ein Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz diskutieren müssen. Ich finde es absolut notwendig, sich unsere Geschichte ins Bewusstsein zu rufen. Dazu gehört, dass in München der Grundstein für das NS-Regime, für den Krieg und den Holocaust gelegt worden ist.

Es wird immer wieder diskutiert, ob Gebäude, die den Nazis dienten, abgerissen werden sollen. Wie stehen Sie dazu?

Dann müsste man auch das Hofbräuhaus abreißen, wo Hitler große Auftritte hatte. Die Gebäude sind Mahnmale der Zeit. Mit ihrem Verschwinden würde die geschichtliche Bewandtnis in Vergessenheit geraten. Wichtig ist, dass man mit offenen Augen und Bewusstsein für die Vergangenheit durch die Stadt geht.

Der Jahrestag fällt mitten in den Kommunalwahlkampf, auch Sie kandidieren ja für den Stadtrat. Wie verhalten sich die anderen Parteien zu dem Thema?

Über persönliche Kontakte sind wir an fast alle Parteien herangetreten, auch an die CSU. Die Linken haben ihre Kooperation zugesagt, von den Grünen und der SPD haben wir gehört, dass sie sich aus Zeitgründen nicht engagieren können. Aber ich weiß, dass sie die Aktion gut finden. Es würde mich freuen, wenn Mitglieder der Parteien auftauchten, gerne auch mit Banner und Fahnen.

Also doch eine willkommene Wahlwerbung?

Wir wollen nicht, dass man es so wahrnimmt. Die Aktion hätten wir so oder so gemacht, auch wenn wir selbst nicht auf dem Wahlzettel stehen würden. Wir haben mit allen Bündnispartnern vereinbart, dass es keinen Bezug zu der Kommunalwahl am 15. März geben darf. Das ist uns ein großes Anliegen. Wir haben hier ein Bündnis, das sich klar gegen Faschismus positioniert.

Kommt Parteigründer Martin Sonneborn nach München?

Sonneborn musste leider absagen, aber es kommen Parteimitglieder aus ganz Deutschland, sogar aus Berlin und Hamburg. Manche warten noch auf ihre Urlaubsgenehmigung.

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SZ vom 22.02.2020
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