Süddeutsche Zeitung

Neuhausen:Ein Komplex im Zeichen der Nachhaltigkeit

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An der Gabrielenstraße entstehen Büros und Wohnungen hinter begrünten Fassaden. Die Architekten sprechen vom größten Holzbauvorhaben "in der Münchner Kernstadt".

Von Sebastian Krass, Neuhausen

Ein Trakt für Büros, einer für 56 Wohnungen - beides teilweise aus Holz gebaut und mit einem ausgefeilten Konzept zur Fassadenbegrünung ausgestattet: Diesen Plan für einen neuen Gebäudekomplex an der Ecke Gabrielen-/Rupprechtstraße hat das Münchner Architekturbüro Allmann Sattler Wappner (ASW) in der jüngsten Sitzung der Stadtgestaltungskommission vorgestellt und dafür viel Zustimmung mit einzelnen kritischen Anmerkungen bekommen.

Das Projekt entsteht auf ehemals zwei Grundstücken, auf denen früher die Innung Spengler, Sanitär- und Heizungstechnik Handwerkerinnen und Handwerker ausgebildet hat. Daneben steht ein Parkhaus. Bereits 2018 war ein Bauvorhaben dort Thema in der Stadtgestaltungskommission. Damals plante eine Tochterfirma der Münchner Salvis AG einen reinen Nobel-Wohnkomplex nach einem Entwurf des Architekturbüros Landau und Kindelbacher. 130 Millionen Euro wollte sie investieren, wie noch heute auf der Homepage steht. Letztlich aber kam die Salvis-Tochter mit der Planung offenbar auf keinen grünen Zweig und verkaufte das Grundstück an das ebenfalls in München ansässige Immobilienunternehmen Bauwerk, das auch für hochpreisigen Wohnungsbau steht. Bauwerk realisiert derzeit ein großes Projekt rund um die Kuvertfabrik in Pasing und stellte kürzlich ein weiteres Projekt mit 142 Wohnungen an der Infanteriestraße 14 öffentlich vor.

Das zentrale Problem bei der Verwertung des Areals in Neuhausen ist die kostspielige Verpflichtung, eine Kompensation für das wegfallende Parkhaus und die damit verbundene Dienstbarkeit zu schaffen. "Wir müssen drei Geschosse Tiefgarage bauen, um 148 Parkplätze aus der Dienstbarkeit nachzuweisen", sagte ASW-Geschäftsführer Ludwig Wappner in seiner Präsentation. Hinzu kämen 50 Parkplätze, die man aus dem eigenen Bauprojekt heraus nachweisen müsse, "da haben wir in Gesprächen mit der Stadt zum Glück eine Reduktion um die Hälfte erreicht".

Der Bauherr wolle auf eine Wohn- und Büronutzung von jeweils etwa 7500 Quadratmetern Geschossfläche setzen, erläuterte Wappner. Architektonisch habe man sich entschieden, "das Quartier in zwei Nutzungsteile zu zerlegen". Der Trakt mit der langen Fassade entlang der Rupprechtstraße ist für Büros vorgesehen. An der Gabrielenstraße liegt der Eingang zum Flügel mit den Wohnungen, der durch ein Hofgebäude verlängert wird. Was die Gestaltung angeht, ging Wappner vor allem auf Dachgestaltung und Fassade ein.

Lange habe man diskutiert, ob der Dachausbau des Bürotrakts zur Gabrielenstraße hin ein oder zwei Fenster breit sein solle, "letztlich haben wir uns für die reduzierte Variante entschieden". Diese Entscheidung für einen "Einachser stieß auch in der Kommission auf breite Zustimmung. Stadtheimatpfleger Bernhard Landbrecht würdigte das Projekt insgesamt als "hervorragende Stadtreparatur".

Bei der Fassade ging es Wappner um zwei Aspekte, beide "vom wichtigen Thema Nachhaltigkeit" abgeleitet: das Material und die Begrünung. "Wir haben uns mit dem Bauherrn zu einem Holz-Beton-Hybridgebäude verpflichtet und wollen das Thema Holz in allen Fassaden aufgreifen", sagte Wappner. Es handele sich damit um das größte Holzbauvorhaben "in der Münchner Kernstadt". Die Holzfassade solle mit Ornamenten geschmückt werden, der Bauherr wolle keine Optik mit Holzlatten. Zudem arbeite man intensiv an einem Farbkonzept, so Wappner. Das Projekt solle sich in die teils gründerzeitliche Bebauung in der Nachbarschaft einfügen, vor allem zum denkmalgeschützten Nachbargebäude an der Gabrielenstraße hin. "Und wir wollen eine Antwort darauf geben, dass Holz und Farbe sich nicht widersprechen möchten." Das zweite Fassadenelement ist die Begrünung, die im Wohnungstrakt außen am Balkon befestigt werden soll, an der Büroseite auf 1,50 Meter weit herausragenden Plattformen. "Wir dürfen nicht erdgebunden pflanzen, deshalb wird die Bepflanzung von außen gepflegt werden", erläuterte Wappner. Klar sei auch, dass es "keine immergrünen Pflanzen werden, man soll die Jahreszeiten sehen".

Kommissionsmitglied Peter Wich, Landschaftsarchitekt aus München, sprach von einem "sehr schönen Projekt, auch im Vergleich zum Vorgängerprojekt. Die Innovationsgedanken bei der Bauweise und der Begrünung sind sehr zukunftsweisend". Der Züricher Architekt Jürg Sulzer nannte das Vorhaben "insgesamt ganz schön", wandte aber ein, die Begrünung am Bürogebäude erscheine ihm "irgendwie zufällig". Sein Berliner Kollege Piero Bruno pflichtete bei: "Gelegentlich ein paar Vasen an der Fassade sind noch kein grüner Garten." Zudem fand er, dass die aufwendige Gestaltung des Holzes dem Material die Wirkung nehme, das lehne sich zu sehr an benachbarte Putzfassaden an: "Sie trauen sich nicht, das Holz richtig zu inszenieren." Stadtbaurätin Elisabeth Merk hingegen würdigte den Holzbau als einen "Beitrag, der über diesen Ort hinausweist".

In einer kurzen Replik erwiderte Ludwig Wappner, die Begrünung sei deutlich mehr als "Vasen an der Fassade", auch die Anordnung sei "nicht willkürlich, sondern eine ganz bestimmte Diktion wachsender Gärten, die wir uns lange überlegt haben". Letztlich gab die Kommission dem Projekt eine "klare Zustimmung, auch wegen der Nachhaltigkeit", die Begrünung am Gewerbeteil solle noch einmal überprüft werden.

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SZ vom 29.03.2021
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