Süddeutsche Zeitung

München: Nahverkehr:MVG-Kunden wüten gegen Notfahrplan

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Obwohl die Lokführer ihren Streik unterbrochen haben, fährt die MVG nach ihrem Notfahrplan. Sehr zum Ärger der Fahrgäste.

Marco Völklein

Eigentlich hat Klaus Balb nichts dagegen, dass die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ihre Kontrolleure losschickt. "Ich habe eine Abo-Monatskarte - damit zahle ich für die Schwarzfahrer mit", sagt der Münchner. Als er am Donnerstagmorgen aber mal wieder in einer - wegen des MVG-Notnetzes - völlig überfüllten U5 saß, wurde er wütend. "Da macht die MVG nur ein eingeschränktes Angebot und schickt dennoch ihre Kontrolleure durch den übervollen Zug", sagt Balb. "Das ist dreist."

Balb ist nicht der einzige MVG-Kunde, der sich derzeit ärgert. Wegen des Streiks der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) fährt die MVG einen Notfahrplan. Und so rasch wird es damit auch nicht vorbei sein - obwohl der kommunale Arbeitgeberverband sowie der Gewerkschaftsdachverband dbb Tarifunion sich in der kommenden Woche wieder zu Verhandlungen zusammensetzen wollen.

Willi Russ, Vize-Chef der dbb Tarifunion, der im Auftrag der GDL die Tarifauseinandersetzung führt, erklärte: "Solange wir verhandeln, werden wir nicht streiken. Wir gehen davon aus, dass die Verkehrsunternehmen ihre Notfallpläne nun außer Kraft setzen." Doch das wird die MVG vorerst nicht tun.

Hintergrund ist das vergiftete Klima zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft; vor allem die Arbeitgeber trauen den Funktionären von dbb und GDL nicht mehr über den Weg. Armin Augat, Geschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbands, forderte "eine klare Aussage der dbb Tarifunion, den unbefristeten Streik auszusetzen". Man werde der Gewerkschaft sicher "kein weiteres Erpressungspotential bieten". Die Aussage von Russ sei zwar eine "gute Grundlage", dennoch müsse "man abklopfen, was das genau heißt".

Nach seiner Lesart könne die Gewerkschaft die neuen Verhandlungen jederzeit verlassen und dann erneut zum Streik aufrufen. Hinzu kommt, dass sich laut MVG derzeit allein bei der U-Bahn mehr als ein Fünftel der GDL-Fahrer krank gemeldet hat. Ohne diese Fahrer "ist der vollständige Fahrplan schlicht nicht möglich", heißt es bei der MVG: "Bis sich das ändert, muss es beim aktuellen Stand bleiben." Man könne nur Fahrzeuge einsetzen, für die man auch Fahrer habe.

In München führte das Notnetz zuletzt dazu, dass die U-Bahnen in Außenbereichen und sonntags nur im 20-Minuten-Takt fuhren, Trambahnlinien ganz ausfielen und - ebenfalls in Außenbereichen - durch Busse ersetzt wurden. Auch das Nachtnetz fiel weg.

Bei Fahrgastvertretern stieß dies auf Kritik: "Das ist kein tragbarer Zustand", klagte Berthold Maier vom "Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr" des Münchner Forums, der im Fahrgastbeirat des Münchner Verkehrsverbunds (MVV) sitzt. Zusammen mit anderen Fahrgastvertretern und der Münchner CSU fordert er ein Ende des Streiks - und eine Entschädigung für die Kunden.

Solange das Notnetz noch läuft, zahlen insbesondere die Nutzer von Wochen- und Monatskarten zwar, erhalten aber nur eingeschränkte Leistung. "Für diese Kundschaft bräuchte man schon eine Kompensation", findet Andreas Barth von Pro Bahn. Sein Vorschlag: Freie Fahrt für alle Zeitkarten-Inhaber im gesamten Netz etwa an den Adventssamstagen.

Auch Martin Marino, der Sprecher des MVV-Fahrgastbeirats, plädiert für eine zumindest symbolische Wiedergutmachung für treue Kunden. Er könnte sich vorstellen, allen Kunden, die ihre Zeitkarten im Abonnement beziehen, ein Drei-Tages-Ticket zu schenken. "Das könnten die an Freunde oder Verwandte weiterreichen", so Marino. Oder die Kunden erhalten eine Zeitkarte einen Monat gratis. Mit "ein paar bunten Kugelschreibern wird es jedenfalls nicht getan sein", findet Maier vom Münchner Forum.

Die Verkehrsbetriebe wiederum argumentieren, eine etwaige Entschädigung müsste aus den Fahrgasteinnahmen finanziert werden. "Eine ,Entschädigungsrücklage' hat die MVG nicht", sagt Sprecherin Bettina Hess. Vielmehr würde dann Geld fehlen, um dringend benötigte neue Fahrzeuge und Strecken zu finanzieren. "Ein Teufelskreis", sagt Hess.

Viel wichtiger als eine Wiedergutmachung ist aus Sicht der Fahrgastvertreter aber ohnehin, dass der Arbeitskampf endet. Die GDL fordert fünf Prozent mehr Lohn sowie einen Ausgleich für überlange Pausen und Wegezeiten. Die Konkurrenzgewerkschaft Verdi hatte mit den Arbeitgebern einen Tarifvertrag abgeschlossen, der der GDL aber nicht reicht.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2010
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