Süddeutsche Zeitung

Bayerische Staatsgemäldesammlungen:Eine Minute Kunst

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In 60 Sekunden große Kunst erleben: Bei der "Kunstminute" erklären Experten in Mini-Videos ausgewählte Werke aus Münchner Museen.

Von Evelyn Vogel

Überladen von Ornamenten, Bommel und jeder Art von Flitterkram sei das Bildnis der Madame de Pompadour, dass es allen Leuten von Geschmack in den Augen weh tun müsse, urteilte der zeitgenössische Kritiker Friedrich Melchior Grimm über das 1756 entstandene Gemälde von François Boucher. So erzählt es Elisabeth Hipp in der Kunstminute über Bouchers "Madame de Pompadour", eines der beliebtesten Bilder in der Alten Pinakothek. Auch die anderen Kunstminuten der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen führen zu bekannten und beliebten Werken und bieten einen Streifzug durch mehrere Jahrhunderte der Kunstgeschichte - in jeweils 60 unterhaltsamen Sekunden.

Die Kunstminuten, 23 sind es mittlerweile und die Reihe wird fortgesetzt, sind filmische, von Kuratorinnen und Kuratoren geprägte Miniaturen, die mit etwas unterschiedlichen Akzenten etwas über die Werke und ihre Meister erzählen. Mal gehen sie mehr auf die Hintergründe der Werke ein, mal auf die der Künstler, mal erfährt man mehr über die Entstehungsgeschichte, mal mehr über die Rezeption. Fast immer ist von allem ein wenig dabei, aber eben mit unterschiedlichen Gewichtungen. Sie führen zu einzelnen Werken, die - wenn nicht gerade Coronalockdown oder Generalsanierung ist - in der Pinakothek der Moderne, der Alten Pinakothek, der Sammlung Schack und in der Neuen Pinakothek zu sehen sind.

In Zusammenarbeit mit dem Filmbüro München sind die Clips in den Häusern vor Ort entstanden. Bildsprache, Musik und Schnitt sind aus einer Hand, deshalb wirken sie trotz unterschiedlicher Temperamente der Kunsthistoriker wie aus einem Guss. Jedes Haus hat zudem ein musikalisches Intro, das wie eine Erkennungsmelodie wirkt.

Lust an der Inszenierung: "Madame de Pompadour" von François Boucher.

Otto Freundlich war ein abstrakter Bildhauer, der mit seiner Skulptur "Ascension (Aufstieg)" von 1929 eine Sozialutopie verwirklichte, erzählt Oliver Kase in der Pinakothek der Moderne. Freundlich wurde von den Nazis als "entarteter Künstler" gebrandmarkt und später in einem KZ ermordet.

Auf der Suche nach nichts weniger als dem Paradies war Vincent van Gogh, als er 1988 in Arles seine Begeisterung für das Licht in dem berühmten Bild der Sonnenblumen zum Ausdruck brachte, weiß Joachim Kaak. Normalerweise in der Neuen Pinakothek zu Hause hängt das Gemälde während der Renovierung in der Alten.

Max Beckmann sei "ein Genie der Selbstvermarktung" gewesen, konstatiert Oliver Kase in seiner Kunstminute. Und ein recht selbstbewusster Künstler war er lange Zeit auch. Einer, der sich gern in Pose geworfen und selbst gemalt hat. Dieses "Selbstbildnis in Schwarz" aus der Pinakothek der Moderne entstand 1944 im Exil. Beckmann war von den Nationalsozialisten in der Ausstellung "Entartete Kunst" am Münchner Hofgarten ausgestellt worden und hatte Deutschland daraufhin für immer verlassen.

Die Heroisierung einer weltgeschichtlich bedeutenden Schlacht und eines der Hauptwerke in der Alten Pinakothek ist das 1529 entstandene Monumentalgemälde "Alexanderschlacht (Schlacht bis Issus) von Albrecht Altdorfer. Wie Martin Schawe erklärt, ist es die erste "Weltlandschaft" in der Kunstgeschichte. Ein echtes Wimmelbild, das eine überwältigende Perspektive auf das entstehende Weltreich Alexander des Großen zeigt: von der Türkei über das Mittelmeer und Zypern hinweg bis nach Ägypten. Alexander auf seinem Pferd hingegen wirkt ganz klein. Mit einem Trick sorgt Altdorfer dafür, dass man ihn leicht findet: Den Blick der Kordel folgend nach unten schweifen lassen.

Es heißt, Margaret Stonborough-Wittgenstein sei mit dem Bild nicht ganz einverstanden gewesen, weil die Ornamentik so im Vordergrund stand. Tatsächlich, erklärt Joachim Kaak, hat Gustav Klimt die Tochter von Karl Wittgenstein in einem architektonischen Zusammenhang gemalt, bei dem der Übergang zum Ornament fließend ist und alle Details miteinander korrespondieren. Klimt hat mit dem Gemälde, das aus der Neuen Pinakothek stammt und derzeit in der Alten ausgestellt ist, einen neuen Porträttypus geschaffen. Galt Klimt doch auch als einer der modernsten Maler seiner Zeit.

Die Texte sind aus dem Off eingesprochen, die Kuratorinnen und Kuratoren stehen also nicht vor einem Kunstwerk und reden in die Kamera, sondern sie durchwandern das Haus auf dem Weg zum Werk, während die Kamera architektonisch interessante Fahrten unternimmt oder in die Kunstwerke hineinzoomt und sie detailreich vor Augen führt. Dadurch bekommt der Betrachter das Gefühl, tatsächlich im Museum unterwegs zu sein und das Bild nicht aus dem Zusammenhang des Museums herausgelöst zu betrachten. Diese Kunsthäppchen machen Spaß und Lust auf mehr.

Kunstminuten, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

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SZ vom 13.01.2021
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