Süddeutsche Zeitung

Grün-rote Personaldebatten:Wer leitet das neue Mobilitätsreferat?

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Eine Frau und fünf Männer stehen zur Wahl. Die Entscheidung dürfte auch Auswirkungen auf zwei andere vakante Führungspositionen haben.

Von Heiner Effern

Eine Frau, fünf Männer. Zwei leben und arbeiten in München, vier kommen von außerhalb. Alle sechs haben am Mittwoch 30 Minuten Zeit, um die Grünen zu überzeugen, dass sie den wichtigsten Posten für die Verkehrswende stemmen können: Eine oder einer aus dieser Runde wird der erste Chef des neuen Mobilitätsreferats in München. Das Rennen sei noch offen, heißt es unter den Spitzenleuten aus Fraktion und Partei. Wenn sich aus der letzten Vorstellung der Bewerber ein eindeutiges Bild ergibt, könnte die Entscheidung in der Fraktion schon kommenden Montag fallen. Da dort auch regelmäßig die Parteispitze vertreten ist, würde ein Konsens dort wohl endgültig sein.

Die Vergabe hatte mit einer bundesweiten Ausschreibung begonnen. Misst man alleine die Zahl der Bewerber, dann ist die Stelle heiß begehrt. Mehr als 30 Frauen und Männer wollten die Verkehrswende in München gestalten, sechs sind nun noch übrig. Zwei kennen die Münchner Verwaltung und auch die Probleme auf den Fuß- und Radwegen, Straßen und Schienen bestens. Das könnte zum Vorteil gereichen, denn das neue Referat wird viele Schnittstellen etwa zum Planungsreferat, Baureferat oder Kreisverwaltungsreferat besitzen.

Zwei weitere kommen direkt aus der Praxis von Verkehrsunternehmen. Der eine kann viele Jahre an der Spitze eines großen Nahverkehrsbetreibers vorweisen, der andere hat sich mit modernen Mobilitätskonzepten in einem großen Konzern beschäftigt, dessen Geschäftsmodell die Fortbewegung von Menschen ist. Das letzte Paar kommt mehr von der theoretischen Seite, einmal aus der hohen Bundesverwaltung in Berlin, einmal von einer Universität. Diese vier Bewerber brächten einen Blick und Ideen von außen mit. Ihnen müsste man aber wohl einen starken Stadtdirektor als Stellvertreter zur Seite stellen, damit sie zumindest anfangs im Dickicht der Kompetenzen und Laufwege in der Münchner Verwaltung nicht verloren gingen. Viel wird aber noch mal von der Präsentation am Mittwoch abhängen. Im offiziellen Gespräch wollen die Grünen testen, wie politisch kompatibel die Bewerber mit ihren Ideen sind und welche Kompetenzen sie zeigen, um sich in der Verwaltung zurechtzufinden und auch durchzusetzen.

Mit einer Entscheidung hätten die Grünen aber erst eine der drei Schlüsselstellen in der Stadt neu besetzt, die sie möglichst bis Jahresende vergeben wollen. So schnell wie möglich soll auch Klarheit herrschen über die künftigen Chefs im neu aufgestellten Referat für Klima- und Umweltschutz und im Referat für Bildung und Sport. Dieses wird nach dem anstehenden Wechsel von Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) an die Spitze des Gesundheitsreferats schneller frei als gedacht. Um Zeit zu sparen, wollen die Grünen dieses Stellen nicht ausschreiben, sondern ihre Bewerber vom Stadtrat direkt wählen lassen. Die Mehrheit dafür haben sie, SPD und Grüne haben sich im Koalitionsvertrag festgelegt, jeweils für die Kandidaten des Regierungspartners zu stimmen.

Eine fixe Liste zur engeren Auswahl gebe es in beiden Fällen noch nicht, heißt es aus der Fraktion. Man spreche noch mit potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten, sagt auch Bürgermeisterin Katrin Habenschaden. Namen nennt sie nicht vor anstehenden Personalentscheidungen, aber zwei Dinge kann sie klarstellen. Gerüchte in der Stadtpolitik, dass sie in Personalunion auch das Umweltreferat übernehmen wolle, entbehrten jeder Grundlage. Beide Jobs zu stemmen, "das ist für eine Person nicht möglich". Dafür seien die Herausforderungen viel zu groß. Für das Referat für Bildung und Sport, einem der "großen Tanker" in der Stadtverwaltung, will sie weniger jemanden mit neuen pädagogischen Konzepten als eine Führungskraft im Stile Zureks, die das Haus "mit Verve" leitet.

Die Grünen wären aber nicht die Grünen, wenn nicht neben der persönlichen und der fachlichen Eignung ein drittes Kriterium eine Rolle spielen würde. Dass alle drei Chefposten an Männer gehen, gilt als kaum vorstellbar. Für den Seelenfrieden der traditionell feministischen Partei wäre es wichtig, dass mindestens zwei der drei wichtigen Jobs mit Frauen besetzt würden. Sollte sich also im Kampf um das Mobilitätsreferat ein Mann durchsetzen, könnte das die Chancen von Männern bei den anderen Stellen also deutlich verringern.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2020
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