Süddeutsche Zeitung

Hilfe für die Ukraine:Kiewer Köche zu Gast im Münchner Sternelokal Mural

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Das Restaurant Mirali in Kiew ist geschlossen. Denn Fine Dining, das braucht derzeit niemand dort. Dafür werden Münchner Gourmets nun für einen guten Zweck mit ukrainischen Avantgarde-Gerichten bekocht.

Von Franz Kotteder

So ein Krieg ändert alles. Vor gut zwei Monaten noch arbeiteten 25 Menschen im Kiewer Restaurant Mirali. Nun sind drei von ihnen in Deutschland unterwegs und kochen in Sterne-Restaurants zusammen mit den dortigen Teams für die Ukraine. An diesem Sonntagabend sind sie im Münchner Mural zu Gast, zusammen mit Küchenchef Joshua Leise und seinen Leuten. Das Restaurant Mirali liegt in einem Gewerbegebiet in Kiew und ist jetzt geschlossen, erzählt Chefkoch Mirali Dilbazi. Fine Dining, das braucht jetzt niemand dort. In Deutschland aber kann man zumindest ein bisschen Geld verdienen und die unterstützen, die gerade gar nichts verdienen, zu Hause in der Ukraine.

Mirali Dilbazi, 28, lacht ein bisschen bitter, wenn man ihn nach seinen Verwandten fragt. "Meine Eltern kommen aus Aserbaidschan und leben auch dort", sagt er, "sonst wäre ich ja nicht hier." Denn die meisten aus seinem Küchenteam sind jetzt in der Armee, erzählt er, wie alle ukrainischen Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Statt in einem Fine-Dining-Restaurant arbeiten sie jetzt zum Beispiel in einer Feldküche. Dilbazi aber ist mit dem jungen Koch Misha Csihalus und seiner Restaurantleiterin Elena Lysytska in Deutschland unterwegs, um Geld zu sammeln für die Firma Goodwine, die seit Kriegsbeginn in Kiew täglich 400 kostenlose Mahlzeiten für Bedürftige kocht und humanitäre Hilfe leistet.

Lysytska war noch im Februar nach Berlin geflohen und bei Billy Wagner untergekommen, dem Chef des befreundeten Sternerestaurants Nobelhart & Schmutzig. Wagner ließ seine Kontakte zu gleichgesinnten Gastronomen spielen und so können Gourmets bis Mitte Mai in Berlin, Köln, Hamburg, Frankfurt und München die Ukrainer unterstützen und gleichzeitig Avantgarde-Küche aus Kiew kennenlernen. Die ist nicht weit entfernt von der hiesigen, denn die Prinzipien des Mirali lauten: reine Produktküche mit lokalen Lebensmitteln, biologisch erzeugt und nachhaltig verarbeitet, gerne auch fermentiert.

"Unser Traum ist es", sagt Lysytska, "nach dem Krieg alle Beteiligten in unser Restaurant nach Kiew einzuladen." Das, hofft sie, möge schon in naher Zukunft der Fall sein. Mut macht ihnen, dass sie auf ihrer Tour durch Deutschland viele neue Freunde gefunden haben, die bereitwillig helfen.

"Wir kannten das Mirali zuvor auch nicht", sagt Joshua Leise, der 27-jährige Küchenchef im Mural, "aber wir haben natürlich sofort mitgemacht." Die deutschen Restaurants stellen Personal, Lebensmittel und Getränke zur Verfügung, so geht der Reinerlös der Menüs in die Ukraine. Ein Gewinn ist der Abend so oder so für alle, denn wann hat man schon mal die Gelegenheit, die wirklich unglaubliche Geschmacksvielfalt von eingelegtem Sellerie mit einer Sauce aus schwarzer Haselnuss zu erleben?

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