Süddeutsche Zeitung

Umzug nach Pullach:Linde verabschiedet sich vom Oberanger

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Der Dax-Konzern gibt seine Münchner Zentrale auf. Über einen neuen Mieter für das moderne "Stadthaus" wird bereits verhandelt.

Von Alfred Dürr

Ein Dax-Konzern mit seiner Zentrale mitten in München, nur wenige Schritte vom Marienplatz entfernt - das hat Seltenheitswert. Das Hauptquartier von Siemens am Wittelsbacherplatz, das 2016 völlig runderneuert eröffnet wurde, verfügt über diese privilegierte Lage. Aber auch der traditionsreiche Gasekonzern Linde am Oberanger hat diese Nähe zur Altstadt gesucht. Doch das Unternehmen steht nach der Fusion mit Praxair vor strukturellen Veränderungen und soll über den Abbau von mehreren hundert Arbeitsplätzen verhandeln. Ein Teil der Veränderung: Linde will seine Münchner Zentrale aufgeben und um den Jahreswechsel herum nach Pullach an den bestehenden Standort umziehen.

Das Gebäude der Linde-Zentrale ist mit einem besonderen Abschnitt der Stadtentwicklung im Zentrum verbunden. 2003 hatte das Münchner Architektenbüro Otto Steidle und Partner (heute Steidle Architekten) den Wettbewerb für ein modernes Geschäfts- und Wohnhaus mit öffentlicher Tiefgarage sowie mit Läden und Gastronomie gewonnen. Dieser Komplex neben dem damals neuen Jüdischen Gemeindezentrum am Sankt-Jakobs-Platz ersetzte ein Parkhaus mit mehr als 800 Stellplätzen. Es galt als unförmiger Klotz im städtischen Gefüge, als ein etwas aus der Zeit gefallenes Produkt der Sechzigerjahre. Das Unternehmen Wöhr und Bauer hatte das Grundstück gekauft und realisierte den Neubau zügig.

Noch vor Fertigstellung des Gebäudes konnte Linde als Hauptmieter gewonnen werden. Der Konzern wollte von Wiesbaden nach München übersiedeln. Mitte 2008 bezog das Unternehmen seine neuen Räume, ein langfristiger Mietvertrag über 15 Jahre war abgeschlossen worden. Die Lage und der Charakter des Hauses hätten überzeugt, hieß es bei Wöhr und Bauer. Der Einzug von Linde galt als ein Signal für die weitere Reparatur der Innenstadt und die Aufwertung des Wirtschaftsstandorts München. In unmittelbarer Nachbarschaft war das Zentrum der Jüdischen Gemeinde mit der Synagoge und dem Jüdischen Museum entstanden. Das Umfeld des Oberangers hatte sich verändert. Gebäude zwischen dem Rindermarkt und dem Sendlinger-Tor-Platz wurden saniert oder gleich durch neue ersetzt. Die Fläche vor der Häuserzeile wandelte sich zu einem begrünten Boulevard. Wie sich hier ein lange Zeit von der Stadtentwicklung vernachlässigter Bereich positiv verändert hat, ist bemerkenswert.

Dass statt des massiven Parkhaus-Klotzes ein modernes "Stadthaus" mit seiner speziellen Nutzungsmischung entstanden war, bedeutete einen Gewinn für das Stadtbild. Auch die Kunst sollte im Umfeld des Komplexes nicht zu kurz kommen. So setzte zum Beispiel der kürzlich verstorbene Münchner Lichtgestalter Ingo Maurer bei der Fassadenbeleuchtung Akzente. Mit Keith Sonnier kam ein weiterer Lichtkünstler im Durchgang zwischen dem Angerhof und dem Jüdischen Gemeindezentrum mit einer Installation zum Zug. Dort befinden sich auch die "Klangsteine" von Andrea Schmeing-Häusler. Im öffentlich zugänglichen Innenhof steht die Edelstahl-Skulptur von Christopher Klein. Joachim Jung hat im Foyer spektakuläre Glasbilder mit der Linde-Firmengeschichte geschaffen.

Über eine Neuvermietung nach dem Auszug von Linde wird dem Vernehmen nach bereits mit einem Hauptinteressenten verhandelt. Die Lage und die Qualität des Hauses sorgten für rege Nachfrage. Über entsprechende Erträge brauche sich der Vermieter keine Sorgen machen, meinen Immobilienexperten.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2019
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