Süddeutsche Zeitung

Lieferverkehr:Ein Plan gegen die Paket-Flut

Lesezeit: 2 min

München hat die bundesweit höchste Dichte an Lieferungen - Tendenz steigend. Die Stadt will nun eine möglichst emissionsfreie Zustellung etwa mit Lastenrädern fördern. Ein Anbieter macht dies bereits vor.

Von Andreas Schubert

Eine vertraute Straßenszene in einem beliebigen Münchner Wohnviertel: An der einen Kreuzung steht ein DHL-Lieferwagen mit Warnblinker, ein paar Meter weiter parkt ein GLS-Lieferant in zweiter Reihe, während der Amazon-Bote versucht, mit seinem Bus vorbeizukommen, um dann vor dem nächsten Haus ebenso in zweiter Reihe stehen zu bleiben. 50 Meter weiter, an der nächsten Kreuzung, blinkt es wieder: Hier entlädt gerade ein anderer DHL-Bote seinen Transporter, während ein Handwerker mit seinem Bus verzweifelt einen Parkplatz sucht.

So oder ähnlich lässt es sich jeden Tag beobachten, was nicht wundert: Nach Angaben der Mobilitätsreferats weist München unter den vier deutschen Millionenstädten die höchste Dichte an sogenannten KEP-Sendungen aus. Das Kürzel steht für Kurier-, Express- und Paket-Sendungen, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben. Das verursacht nicht nur Stress für andere Verkehrsteilnehmer, sondern auch eine Menge Abgase in den Wohnvierteln. Der Stadtrat will nun dagegen vorgehen und die Weichen für einen emissionsarmen Lieferverkehr stellen.

An diesem Mittwoch will der Mobilitätsausschuss im Rahmen der Mobilitätsstrategie 2035 einen Plan für den Wirtschaftsverkehr auf den Weg bringen. Dazu soll unter anderem auf dem Viehhofgelände in der Isarvorstadt ein Logistikzentrum für Lastenräder entstehen, oder wie es die Verkehrsplaner ausdrücken: ein "Radlogistik-Hub". Die Idee: An dem zentralen und überdachten Ort an der Tumblinger Straße, südlich des neuen Volkstheaters, sollen verschiedene Anbieter ihre Pakete von größeren Lastwagen auf Lastenräder umladen und von dort in die Wohnviertel bringen.

An U-Bahn-Stationen will die Stadt eigene Paktabholboxen aufstellen

"Wenn dieses Pilotprojekt erfolgreich ist, werden wir es auf andere Stadtteile ausweiten", sagt Nikolaus Gradl, der verkehrspolitische Sprecher der SPD/Volt-Fraktion. Weiterhin sei geplant, an U-Bahn-Stationen anbieterunabhängige Paketboxen aufzustellen, an denen Münchnerinnen und Münchner ihre Bestellungen abholen können. "Langfristig wünschen wir uns, dass Pakete nicht mehr in Diesel-Fahrzeugen in Wohngebieten ausgeliefert werden, sondern emissionsfrei mit E-Fahrzeugen oder Lastenrädern."

Dass dieses Prinzip funktioniert macht UPS - bislang als einziger Anbieter - schon seit bald sechs Jahren in München vor. Im Juli 2017 eröffnete das Unternehmen am Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz im Glockenbachviertel sein erstes Mikrodepot für Lieferungen - eine Idee, die schon seit 2012 in Hamburg umgesetzt wird. Inzwischen sind die braunen Lasten-E-Bikes, in denen der Fahrer wind- und regengeschützt sitzt, ein gewohnter Anblick. Mit der Zeit hat UPS auch die Fahrräder immer weiter verbessert und leistungsfähiger gemacht. Nun sollen auch andere Anbieter ermuntert werden, auf sogenannte Cargo-Bikes zu setzen.

Paketlieferungen machen aber nur einen Teil des Münchner Wirtschaftsverkehrs aus. Die Belieferung und Entsorgung des Groß- und Einzelhandels, der Gaststätten und der Hotellerie, liefernde und leistende Handwerker oder der Güterverkehr stellten weitere wichtige Segmente des Wirtschaftsverkehrs dar, heißt es in der Vorlage für den Stadtrat. Auch hier müssen Lösungen her, wie zum Beispiel mehr Stellflächen für den Liefer- und Handwerkerverkehr. Den Anfang hat die Stadt bereits gemacht. Aktuell werden in der Innenstadt 33 neue Parkzonen für den Wirtschaftsverkehr geschaffen, weitere Stadtviertel sollen folgen.

Um es dem Wirtschaftsverkehr einfacher zu machen, sollen auch vorhandene Flächen effektiver genutzt werden. Vorstellbar wäre etwa die Öffnung von Parkhäusern für Logistikzwecke oder auch als Depotflächen für Handwerksbetriebe.

Die Kombination von alternativen Zustellmethoden mit neuen Geschäftsmodellen böte bessere Erfolgsaussichten auf eine optimierte Warenzustellung als voneinander isolierte Einzelmaßnahmen. Als eines von mehreren Beispielen für so ein innovatives Geschäftsmodell nennt das Referat eine App, die es Geschäften oder Privatpersonen erlauben könnte, als anbieterunabhängiger Paketshop zu agieren.

Fremde Pakete anzunehmen - das dürfte für viele während der Corona-Pandemie ohnehin zur Gewohnheit geworden sein. So könnten sie künftig auch mal dafür ein bisschen Geld kassieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5733959
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.