Süddeutsche Zeitung

Lach- und Schießgesellschaft:Countdown zum Neustart

Lesezeit: 3 min

Nach dem überraschenden Wechsel an der Spitze geben Bruno Jonas, Laila Nöth und Stefan Hanitzsch am ersten Abend in der Lach- und Schießgesellschaft einen Vorgeschmack auf die Zukunft der Kabarett-Bühne.

Von Philipp Crone, Schwabing

Auf den ersten Blick wirkt es so, als ob sich nichts verändert hätte. Wobei man Veränderungen in der "Lach und Schieß" ja in allererster Linie hört. Und das wiederum wird an diesem Dienstagabend dann doch schnell klar, sobald die Bühne rund um den schwarzen Flügel wieder in Betrieb genommen wird. Zunächst allerdings fragt sich das Premierenpublikum, das zur sogenannten Tonprobe geladen wurde und nun im engen Saal, erst auf Platz- und dann auf Getränkesuche geht, was das nun wohl alles war und wird. Wobei die neuen Verantwortlichen, die zum Teil die alten sind, viel lieber und fast ausschließlich von dem sprechen, was wird. Und das wiederum lässt ein paar Rückschlüsse zu auf das, was war.

20 Jahre lang war der Kultur-Unternehmer Till Hofmann geschäftsführender Gesellschafter der Lach- und Schießgesellschaft. Bis er Ende September in einer Pressemitteilung erklärte, in dieser Funktion und überhaupt auszuscheiden - zum Ende des Monats. Es habe sich, so die Erklärung, in der Gesellschafterkonstellation keine übereinstimmende, gemeinsame Linie für die weitere Führung und Ausrichtung finden lassen. Mehr war von allen Beteiligten nicht zu erfahren, aber die Tatsache, dass Hofmann am Dienstag zum einen gar nicht erst zugegen ist und dann auch nicht ein einziges Wort über ihn verloren wird, deutet stark darauf hin, dass es eklatante Missstimmungen in der Führungsriege des Münchner Kabarett-Kultortes gegeben haben muss. Ist die Frage, ob es an diesem Abend neben einem ersten Einblick auf den inhaltlichen Ausblick der Lach- und Schießgesellschaft vielleicht doch noch den einen oder anderen Hinweis auf die Ursache dieser abrupten Gesellschafteränderung gibt.

Stamm- und Neugäste zwischen 19 und 97

Alle drei aktuellen Gesellschafter haben einen Auftritt am Dienstag. Zunächst der neue geschäftsführende Gesellschafter Stefan Hanitzsch. Dessen Vater Dieter steht auch in der Warteschlange an der Tür. Seine Karikaturen hängen noch im Saal und zeigen die Vergangenheit dieses Ortes, der einmal der satirisch wichtigste des Landes war und laut Bruno Jonas, dem zweiten der drei Gesellschafter, auch wieder werden soll. Stefan Hanitzsch begrüßt die Gäste, Stamm- und Neugäste zwischen 19 und 97 Jahren. Hanitzschs Thema ist die Zukunft, also was zum offiziellen Start Mitte Dezember von diesem Ort zu erwarten sein wird. "Wir bauen gerade ein Studio, arbeiten an Formaten und werden künftig auch digital aktiv sein", sagt er kurz, ehe der erste Programmpunkt in Gestalt des Kabarettisten André Hartmann an der Reihe ist.

Hartmann sprach gerade noch vor Beginn der Tonprobe, dass er stark davon ausgehe, mit der neuen Führung "besser zusammenarbeiten" zu können. Das ist für einen Menschen, der sein Geld mit feinen Formulierungen verdient, eine klare Auskunft über das, was vorher gewesen sein muss. Auf der Bühne dann allerdings auch von ihm kein Wort zu Hofmann. Hartmann, begnadeter Stimmen-Imitator und Klavier-Improvisateur, verbindet nach einer Begrüßung als Alt-OB Christian Ude unter anderem "Alle meine Entchen" mit Liszt oder "Bella Ciao" mit Chopin und zeigt, wohin die Reise dieses Hauses gehen könne: das Alte mit dem Neuen verknüpfen, die älteren Gäste mit den jüngeren. Nachdem mit ihm Jopie Heesters und Herbert Grönemeyer auch noch in wenigen Sätzen auf der Bühne waren und erstmals die Schultern der Gäste in den ersten Reihen ausgiebig vor Lachen zucken, ist Bruno Jonas dran.

Scheibenwischerartig soll es wieder werden

Jonas rast durch sein Programm mit Armin Laschet als Barney Geröllheimer und dem Ruf nach klimaneutraler Militärtechnik. Und es wird klar, was er meint, wenn er später von literarischem Kabarett spricht. Letztlich von Niveau. Denn 20 Minuten Jonas sind nicht nur jede Menge Pointen, sondern auch Erkenntnisse. Dann ist Jonas verschwitzt, die Luft im Saal dünn und erstmal Pause, während Jonas sagt, was man vorhat. Unter anderem "aktuelle Zeitsatire", mit "aktueller Kompetenz", scheibenwischerartig wieder. Politisch, relevant soll es wieder werden. Und da sei eben manches aus dem Genre Comedy doch nicht geeignet, was Jonas so formuliert: "Ich habe schon so manches in der Szene gesehen, wo ich sage: Denk doch einmal einen Gedanken weiter." Verbal einen Gedanken weiter, und sonst? Auch Musik, und das zeigt dann die dritte Gesellschafterin, Musikerin Laila Montana, bei deren Vorstellung Hanitzsch kurz zögert, ehe er ihren Nachnamen ausspricht: Nöth. Die Tochter des im Januar verstorbenen Veranstalters Wolfgang Nöth.

Nöth, im vollglitzernden weißen Paillettenkleid, singt mit einer Stimme, so dass man sich in der ausverkauften Royal-Albert-Hall wähnt. Nur zwischen den Songs merkt man ihr an, dass sie doch noch ein wenig nervös ist, als Nachfolgerin ihres im Münchner Nachtleben mit Kultstatus versehenen Vaters und hier nun gleich in Doppelfunktion als singende Mit-Chefin, die ruhige und melodische eigene Songs vorträgt. Vorher war zu hören, was gute Satire noch kann und hier wieder dürfen soll. Dann zeigt Nöth die Kraft und die Möglichkeiten der Musik: Zum Schluss spielt sie "Space Oddity" von David Bowie, in einer gefällig gefühligen Piano-und-Gesang-Version, "Ground Control to Major Tom". Das ist eben genau die Frage: Wohin geht nun die Reise dieser ehemaligen Kabarett-Rakete an der Schwabinger Ursulastraße. Auf jeden Fall in neue Bahnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5444845
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.