Süddeutsche Zeitung

Fotografie in der Pandemie:Eine Leuchte namens Wanda

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Die Münchner Kulturmanagerin Nicole Giesa fotografiert ihre kleine rote Lampe vor Wahrzeichen der Stadt und in vom Lockdown betroffenen Spielstätten.

Von Evelyn Vogel

Wanda leuchtet. Mal beherrscht sie die Bühne zentralperspektivisch, mal fällt sie fast aus dem Bild oder versteckt sich als kleiner Punkt irgendwo im Foto. Sie steht vor Münchner Wahrzeichen wie der Bavaria, der Allianzarena, dem Olympiastadion, leuchtet in Museen, Theatern und Kinos, Clubs und Fitnessstudios, dem Müllerschen Volksbad und dem Hofbräuhaus. Wanda leuchtet seit Beginn des zweiten Lockdowns, und sie wird leuchten, so lange er andauert.

Denn "Wanda leuchtet ernsthaft", wie ihre Besitzerin Nicole Giesa betont. Mit dem Hashtag "Alarmstufe Rot" wollte die Kunst- und Kulturszene auf die eigene Notlage aufmerksam machen. Giesa, selbst im Kulturmanagement der Filmbranche tätig, erlebt die Not der Künstler Tag für Tag mit. Und so machte sie Wandas rotes Leuchten zum Sinnbild dieser "Alarmstufe Rot" für Künstler im Corona-Lockdown.

Wanda ist immer dabei, um dann einsam im Foto zu stehen. Zum Beispiel vor Münchner Wahrzeichen wie dem Olympiastadion.

Auch im Boxclub The Ring hat die Fotografin ihre Lampe inszeniert.

Verstörend schön: die Aufnahme aus einem Johanniter-Einsatzwagen.

Wanda leuchtet auch im derzeit geschlossenen Arena-Kino.

Wandas Leuchten irritiert auf den ersten Blick. Denn die rote Tischlampe hat ein Kabel und braucht doch keine Steckdose. Giesa, die Wanda im Frühjahr in einem Second-Hand-Laden entdeckte, nimmt sie auf all ihren Spaziergängen durch die Stadt mit und ließ sie kurzerhand technisch umrüsten. Doch das lose Kabel mache Passanten, die sie bei ihren fotografischen Streifzügen beobachten, oft erst recht neugierig, wie Giesa erzählt.

Die Wanda-Serie begonnen hat Giesa im Gärtnerplatzviertel, wo sie zu Hause ist, seit sie vor einem Jahr von Berlin nach München umzog. Nach und nach lässt sie Wanda in der ganzen Stadt leuchten. Und erlebt dabei oft Geschichten und erfährt von menschlichen Schicksalen, die sie tief berühren.

Täglich ist Nicole Giesa mit Wanda unterwegs, hier im Hofbräuhaus.

Oder vor der Bavaria.

Rot vor rot leuchtet Wanda in Fröttmaning bei der Allianz-Arena.

Der Zirkus, der nicht mehr spielen kann, die Restaurantbesitzer, die nicht wissen, wie lange sie noch durchhalten. Aber auch beim Johanniter Rettungsdienst und im Fahrerhaus eines Müllwagens durfte Wanda schon leuchten. Diesen Kontakt hat Giesa noch aus dem Frühjahr.

Damals, kurz nach dem Umzug nach München, erwanderte sie sich ihre neue Heimat nicht nur. Sie fotografierte sie auch und zeigte die Aufnahmen im Sommer unter dem Titel "Lost But Found in Muc" in einer Ausstellung. Während die Serie damals noch mit dem Handy entstand, fotografiert Giesa mittlerweile mit einer professionellen Kamera. Täglich ist sie unterwegs. Wanda ist immer dabei.

www.wanderlampe-wanda.de/galerie

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Quelle:
SZ vom 07.01.2021
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