Süddeutsche Zeitung

Ermittlungen gegen Gastronom:Gefälligkeiten, die zu weit gingen

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Roland Kuffler stand in enger Verbindung zum ehemaligen Wiesbadener Oberbürgermeister. Zu eng womöglich. Nun wird wegen Vorteilsgewährung gegen den Gastronom ermittelt.

Von Franz Kotteder

Verliert die Gastronomenfamilie Kuffler das Weinzelt auf der Wiesn? Sehr wahrscheinlich ist das zwar nicht, aber auch das könnte am Ende einer Entwicklung stehen, die Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) angestoßen hat. Der bat nämlich das dafür zuständige Kreisverwaltungsreferat darum, "die gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit" der Familie Kuffler zu überprüfen, laut Baumgärtners Sprecher Wolfgang Nickl "eine wesentliche Voraussetzung für die Zulassung zur Wiesn". Anlass dafür war ein Bericht in der Frankfurter Rundschau "zu Vorgängen in Wiesbaden".

Dort gibt es in der Tat allerhand zu berichten im Zusammenhang mit der Kuffler-Gruppe. Die betreibt nicht nur in München das Spatenhaus, das Seehaus im Englischen Garten und weitere Gaststätten sowie das Weinzelt, sondern ist auch in der hessischen Landeshauptstadt geschäftlich tätig. Schon seit 1991 ist sie für die Gastronomie im Kurhaus zuständig, die Gastronomie in der Spielbank teilt sie sich mit mehreren Partnern, auch eine Beteiligung an der Spielbankkonzession steht im Raum. Im April 2018 übernahmen die Kufflers dann noch die Gastronomie und das Catering im neu eröffneten Rhein Main Congress Centrum RMCC. Die drei Einrichtungen gehören dem stadteigenen Unternehmen Triwicon, die Verträge der Kufflers mit Triwicon stehen nun auf dem Spiel.

Grund dafür ist die Freundschaft von Seniorchef Roland Kuffler, 81, mit dem damaligen Wiesbadener Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD). Der 45-Jährige trat dieses Jahr nicht mehr zur Wahl an, vor allem auch wegen der Verbindungen zu den Kufflers. Denn die sind - Pech für die Münchner Gastronomenfamilie - zum Paradebeispiel für Filz und unsauberes Verhalten in der politischen Kaste in Wiesbaden geworden. Auch in dem Enthüllungsbuch "Die Unverfrorenen - Wie Politiker unsere Städte als Beute nehmen. Ein Exempel", das der FAZ-Redakteur Ewald Hetrodt über Skandale in Wiesbaden geschrieben hat, kommen die Kufflers vor, wenn auch nur auf zehn von 175 Seiten.

Die zweifelhafte Ehre wurde ihnen zuteil, weil Roland Kuffler den Wiesbadener OB mehrmals eingeladen hatte. So verbrachte Gerich zusammen mit seinem Ehepartner zwischen 2015 und 2017 diverse Urlaube in Kufflers Villa in Saint-Tropez, auch in Kitzbühel ließ er sich einmal einladen. Fünf Übernachtungen in Südfrankreich gab Gerich zu, als das 2018 an die Öffentlichkeit gelangt war. Insgesamt habe er 14 Tage in Kufflers Feriendomizil an der Côte d'Azur verbracht, und auch zur Wiesn-Eröffnung sei er dreimal ins Weinzelt eingeladen gewesen. Deshalb ermittelte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden gegen Gerich wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsannahme, im April dieses Jahres zog die Münchner Staatsanwaltschaft nach und nahm Ermittlungen wegen Vorteilsgewährung gegen Kuffler auf.

Auch der Revisionsausschuss der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung befasst sich inzwischen mit der Angelegenheit, vorangetrieben vor allem vom Ausschussvorsitzenden Robert Lambrou von der AfD. Der sagt: "Ich rede hier nicht mehr von Filz, ich rede von Korruption." Der Ausschuss hatte von der Kuffler-Gruppe verlangt, eine Compliance-Erklärung abzugeben und bis Ende September aufzulisten, was Gerich bekommen habe.

Diese Aufgabe übernahmen die Kuffler-Söhne Stephan und Sebastian für ihren mittlerweile sehr kranken Vater. In dem siebenseitigen Brief an das Wiesbadener Rechtsamt nennen sie allerdings andere Zahlen als Gerich. Sie kommen auf 20 statt 14 Tage in den Feriendomizilen der Familie, außerdem auf 22 Übernachtungen, gratis oder zu "sehr stark vergünstigten Raten", im familieneigenen Fünf-Sterne-Hotel Palace in München. Anlass sei oft der Wiesn-Einzug gewesen, außer Gerich habe es noch weitere 50 Ehrengäste gegeben. Auch zum Geburtstag von Doris Kuffler, Roland Kufflers Ehefrau, seien die Gerichs eingeladen gewesen, ebenso zur Beerdigung des Großgastronomen Gerd Käfer. Kuffler habe bei diesen Gelegenheiten Kosten in Höhe von 6800 Euro übernommen. Außerdem habe Gerich zur Immobilien-Messe Expo Real, wohin er als OB reiste, zu ermäßigten Preisen im Palace übernachtet. Bei 13 Übernachtungen habe Kuffler die Differenz von 11 400 Euro übernommen, man habe das hausintern verrechnet.

Stephan und Sebastian Kuffler schreiben, dass es ihrem Vater "nicht immer gelungen ist, zwischen Gerich als öffentlichem Amtsträger und Herrn Gerich als persönlichem Freund zu trennen". Roland Kuffler gehöre einer Generation an, bei der "Compliance noch nicht so in den Köpfen verwurzelt" sei wie heute. Als Konsequenz habe man firmeninternen Abläufe überarbeitet, sagt Stephan Kuffler: "Wir haben damit eine auf Compliance spezialisierte Unternehmensberatung beauftragt." In Wiesbaden hilft das möglicherweise nicht mehr, dort deutet sich an, dass der Magistrat die Verträge für Kurhaus und Spielbank nicht verlängert. Ein darauf abzielender AfD-Antrag wurde im Revisionsausschuss mehrheitlich angenommen, dessen Vorsitzender Lambrou sagt: "Aus meiner Sicht ist die Compliance nicht gegeben."

Für das Weinzelt auf der Wiesn hat das erst einmal nichts zu bedeuten. Dazu müsste die Staatsanwaltschaft München nicht nur Anklage gegen Roland Kuffler erheben, es müsste auch zu einem rechtskräftigen Urteil kommen. Das ist nicht nur wegen seines Alters und seines Gesundheitszustands sehr unwahrscheinlich. Die Geschäftsführung der Firmengruppe hat er ohnehin schon seinen Söhnen überlassen. Und bei der kommenden Wiesn wird er sich laut seinem Sohn Stephan nicht mehr als Wirt des Weinzelts bewerben.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2019
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