Süddeutsche Zeitung

Kinos:"Jeder Tag, den ich aufmache, kostet mich Geld"

Lesezeit: 3 min

Seit Anfang Juli dürfen die Kinobetreiber wieder Gäste empfangen, doch rentabel ist das Geschäft aktuell nicht. Dabei glauben viele, das Dilemma ließe sich leicht lösen.

Von Andreas Schubert

Ob nun Nomadland, Der Rausch, Cruella oder Black Widow: An sehenswerten Filmen und potenziellen Blockbustern mangelt es in diesem Kinosommer nicht. Und während das Geschäft in den Sommermonaten traditionell eher mau läuft, käme das schlechte Wetter den Kinobetreibern in diesem Jahr sehr entgegen. Und doch sind die Filmtheater nur schwach ausgelastet. Grund sind die pandemiebedingten Auflagen, die in Bayern neben der Maskenpflicht am Platz auch einen Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Kinobesuchern verlangen.

Geschlossene Gruppen mit bis zu zehn Personen dürfen allerdings näher beieinander sitzen, solange die Sieben-Tage-Inzidenz, wie aktuell, unter 50 liegt. Doch dass Leute in Gruppen kommen, ist eher die Ausnahme. So führt der vorgeschriebene Abstand nun dazu, dass die Säle auch zu den Hauptbesuchszeiten nur zu 25 bis 30 Prozent ausgelastet sind, weil Reihen gesperrt werden und zwischen den Sitzen zwei Plätze frei bleiben müssen.

Die meisten Kinos sind seit 1. Juli wieder geöffnet. Am selben Tag startete mit "Kaiserschmarrndrama" auch das Münchner Filmfest im Mathäser. Und während der Saal bei einem solchen Termin normalerweise rappelvoll ist, waren die Reihen wegen Corona nur spärlich besetzt. Auf Dauer, so sagen es die Kinobetreiber, sei dies kein hinnehmbarer Zustand. "Jeder Tag, den ich aufmache, kostet mich Geld", sagt zum Beispiel Christian Pfeil, Co-Chef der Münchner Kinos Arena, Monopol und Rio-Filmpalast. Er sei aktuell vor allem damit beschäftigt, Fördergelder zu beantragen, die den Kinos das Überleben sichern sollen. "Dabei wäre mein Job eigentlich, die Leute ins Kino zu bringen."

Nach acht Monaten der Schließung sehnten sich die Menschen danach, endlich wieder einen Film auf der großen Leinwand sehen zu können, doch wegen der geringen Kapazitäten seien die Vorstellungen bei angesagten Filmen schnell ausverkauft. "Es ist schrecklich, Menschen wegzuschicken", sagt Pfeil. Er habe auf Regeln "mit Augenmaß" gehofft. Das wäre aus seiner Sicht etwa ein Abstand von einem Meter. Bei der guten Lüftung der Kinos und der Maskenpflicht am Platz sei dies ausreichend. Das denkt auch Holger Trapp von den City-Kinos. So käme man immerhin auf eine Auslastung von 50 Prozent. Derzeit müssen auch in den City-Sälen Reihen unbesetzt bleiben. Dass die Regeln noch vor der Bundestagswahl am 26. September gelockert werden, glaubt Trapp indes nicht.

Der Hauptverband deutscher Filmtheater (HDF) verweist auf eine Studie der TU Berlin, die in Kinosälen, in denen anders als in Lokalen nicht gesprochen wird, eine geringe Aerosolbelastung gemessen hat. In einem offenen Brief haben die Kinobetreiber vergangene Woche die Politik dazu aufgefordert, die Corona-Regeln anzupassen. "Wir müssen in Anbetracht der fortschreitenden Impfkampagne neue Regeln zum Umgang mit dem Virus finden", heißt es in dem Schreiben, das der Verband auf seiner Homepage hdf-kino.de veröffentlicht hat. Man habe die geltenden Hygienekonzepte überall flächendeckend umgesetzt, Kontaktdaten sitzplatzgenau erfasst und die Verantwortung gegenüber Gästen und Mitarbeitern "vollumfänglich erfüllt" - was allerdings zu einer durchschnittlichen Höchstkapazität von 30 Prozent geführt habe. "Erwiesenermaßen sind es nicht die Kinos, die für vermehrte Neuinfektionen und die steigenden Inzidenzen verantwortlich sind", argumentiert die Kino-Lobby.

Doch wie soll es weitergehen? Sollen die Kinos wieder voll werden dürfen, wenn die Mitarbeiter die Besucher überprüfen, ob sie entweder geimpft, genesen oder getestet sind? Dies wäre aus Sicht von Andreas Hein, technischer Leiter des Royal-Filmpalasts am Goetheplatz, kaum umsetzbar. Dazu müsste man von jedem Gast umständlich sowohl die entsprechenden Nachweise als auch die Ausweise kontrollieren. "Das dauert ewig", sagt Hein. Ebenso wie der Verband HDF und seine Kollegen aus den andern Münchner Kinos weist auch Hein darauf hin, dass bislang keine Infektion in einem Kinosaal dokumentiert sei, und spricht sich für bundesweit einheitliche Corona-Regeln für sein Gewerbe aus.

Die größte Befürchtung, die alle Kinobetreiber hegen, ist indes, dass sie bei hohen Inzidenzen wieder komplett schließen müssen. Dies dürfe keinesfalls geschehen, mahnt der HDF an. Andreas Hein sorgt sich dabei nicht nur um die Kinos. "Wenn noch mal dicht gemacht wird, sehe ich für die Gastronomie und die gesamte Veranstaltungsbranche dunkelschwarz", sagt er.

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SZ vom 10.08.2021
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