Süddeutsche Zeitung

Münchner Rathaus:Laura Dornheim soll neue IT-Referentin der Stadt werden

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Die Netzpolitikerin begeistert sich unter anderem für Open-Source-Software. Nicht nur das macht sie für die Grünen zur Wunschkandidatin. Nun muss nur noch der gesamte Stadtrat die Managerin wählen.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Eine Frau, aus einem Start-up kommend, als Kandidatin der Grünen 2021 in Berlin knapp am Einzug in den Bundestag vorbeigeschrammt, ein Faible für Open Source, eine, die öffentlich schon mal den Spiegel oder Springer angeht und für mehr Home-Office streitet. Es wirkt so, als hätten die Grünen für die Chefstelle im IT-Referat ein Gegenmodell zum bisherigen Referenten Thomas Bönig gesucht. Und es mit Laura Dornheim auch gefunden. Die 38 Jahre alte Managerin soll bereits in der nächsten Vollversammlung am 29. Juni gewählt werden.

"Ich freue mich wahnsinnig. Das ist genau die Stelle, nach der ich gesucht habe, ohne es zu wissen", sagte die designierte neue Referentin am Telefon. Als Kandidatin der Grünen kann sie gemäß dem Koalitionsvertrag auch auf die Stimmen des Koalitionspartners SPD/Volt zählen und verfügt damit über eine sichere Mehrheit. Ursprünglich hatten sie die Münchner Grünen über das Parteinetzwerk kontaktiert, ob sie als Netzpolitikerin mit dem richtigen beruflichen Hintergrund jemand aus München kennen würde, die oder der die Digitalisierung der Stadt künftig verantworten könnte.

Als Feministin will sie weiter die Diversität ausbauen

Es fand sich niemand, bis die IT-Sprecherin der Fraktion, Judith Greif, sie einfach direkt gefragt habe, ob sie selbst sich den Chefjob in München vorstellen könne, erzählt Dornheim. Inhaltlich habe das sofort "wahnsinnig gut" gepasst, und nach Rücksprache mit dem Partner und den beiden Kindern erhielten die Grünen eine Zusage.

Dornheim wohnt schon lange in Berlin, kommt jedoch ursprünglich aus der Region. "In München habe ich mit 14 HTML gelernt und mit 16 angefangen in Start-ups zu jobben", schrieb sie auf der Plattform Linked-In, als sie ihre Kandidatur bekannt gab. Sie legte ihr Abitur am städtischen Luisengymnasium ab und studierte danach Wirtschaftsinformatik an der Universität Hamburg. Danach promovierte sie an der Leuphana-Universität Lüneburg in Gender Studies zu Frauen in Führungspositionen. Als bekennende Feministin will sie auch im städtischen IT-Referat die Diversität weiter ausbauen und zudem für Barrierefreiheit bei den digitalen Angeboten der Stadt sorgen.

Die kommende IT-Referentin habe sich "in Theorie und Praxis profunde Kenntnisse und Erfahrungen in der Gestaltung digitaler Systeme und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft erworben", sagte Grünen-Fraktionschef Dominik Krause. "Wir sind sicher, dass sie im städtischen IT-Referat Impulse für mehr Transparenz, mehr Kundenorientierung und mehr Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen setzen wird." Das Lob für die eigenen Kandidatin darf man auch als politische Abrechnung mit dem Vorgänger Bönig verstehen, der diese Kompetenzen aus Sicht der Grünen weniger verkörpert hatte.

Ihr Vorgänger hatte heftig die Digitalpolitik der Grünen kritisiert

Im Februar war bekannt geworden, dass der bisherige IT-Referent in ähnlicher Funktion nach Stuttgart wechselt. Für ihn ist es eine Rückkehr in die Heimat, er stammt aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Nun wird er dort Leiter des neu geschaffenen Amts für Digitalisierung, Organisation und IT - zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit in München. Den Wechsel hatte er forciert, als die Grünen ihm angekündigt hatten, dass sie seinen Vertrag nicht verlängern würden.

Im April hatte er die Grünen in einem SZ-Interview heftig für ihre Digitalpolitik kritisiert. Diese sei "einseitig, wenig pragmatisch und stark ideologisch", schimpfte Bönig. "Wie die Grünen sich bei dem Thema IT und Digitalisierung aufstellen, kann ich nicht mehr nachvollziehen", sagte er und bezog sich damit auf Open-Source-Themen als ein Herzensprojekt der Grünen.

Diese wird die neue Referentin sicher wieder aufgreifen. "Da bin ich voll auf grüner Linie", sagte sie. Die öffentliche Verwaltung müsse hier eine Vorreiterrolle einnehmen, sie erwarte dazu viel Rückenwind von der Bundesregierung. Allerdings will sie die Open-Source-Frage auch mit "Pragmatismus" angehen. Mit dem Begriff "Open Source" wird Software bezeichnet, deren Quelltext eingesehen, geändert und meist kostenlos genutzt werden kann. Die Koalition will grundsätzlich zurück zu dieser Idee, die SPD und CSU in der vergangenen Amtsperiode aufgegeben hatten. Im Jahr 2003 hatte die Stadt als weltweit erste Stadt begonnen, ihre Rechner auf das Linux-Betriebssystem umzustellen. 2017 war sie zu Microsoft zurückgekehrt - das Experiment "LiMux" war gescheitert.

Das IT-Referat wurde 2018 neu geschaffen, Bönig als erster Chef war als Krisenmanager angetreten. Mehrere Gutachten hatten damals der Stadt und auch ihren Schulen ein miserables Zeugnis ausgestellt. Alte Rechner, ein Wirrwarr an Programmen und Zuständigkeiten, viel Unmut über den Open-Source-Weg Münchens. Das Referat verfügt mittlerweile über 1100 Mitarbeiter und verantwortet auch die Rechner an den Schulen. Dazu ist es verantwortlich für die IT-Strategie der Stadt und den digitalen Bürgerservice. Gerade diese enorme Bandbreite des neuen Jobs reizt auch die künftige Referentin, wie sie sagt. Im September nach den Ferien wird sie ihre neue Stelle antreten.

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