Süddeutsche Zeitung

Maxvorstadt:Drei-Zimmer-Wohnung für knapp 2,6 Millionen Euro

Lesezeit: 3 min

Für München nicht weiter ungewöhnlich, wenn das Objekt "Barer Höfe" nicht in einer besonderen Gegend entstehen würde: Die Adresse liegt im Erhaltungssatzungsgebiet "Josephsplatz".

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

"Exklusivität als Prinzip" prangt als Slogan in Großbuchstaben auf der Webseite von Legat Living, einer Immobilienfirma mit Sitz in Unterföhring. Man entwickle, vermarkte und errichte hochklassige Immobilien in ausgesuchten Premiumlagen, umreißt das Unternehmen sein Profil. So geschieht es derzeit an der Barer Straße 77, "Barer Höfe" lautet der Projekttitel. Auf einem Online-Immobilienportal wird eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 113,5 Quadratmetern und Dachterrasse in dem Haus, das derzeit gebaut wird, für knapp 2,6 Millionen Euro zum Kauf angeboten. Das wäre für München nicht weiter ungewöhnlich, wenn das Objekt nicht in einer besonderen Gegend entstünde: Die Adresse liegt im Erhaltungssatzungsgebiet "Josephsplatz".

Die derzeit 26 Satzungen im Stadtgebiet sollen die angestammte Bevölkerung vor Luxussanierung und damit verbundener Vertreibung schützen. Eigentümer müssen sich verpflichten, für gewisse Zeit Aufwertungen zu unterlassen und einen Mietendeckel einzuhalten. Umwandlungen in Eigentumswohnungen müssen genehmigt werden. Allerdings: Diese Klauseln schützen nicht vor luxuriösen Nachverdichtungsprojekten, wie das Beispiel "Barer Höfe" zeigt. Und solche Projekte können den Milieu-Schutzschirm durchaus verformen.

Die Firma Legat Living hat sich inzwischen einen Namen gemacht als Bauträger für gehobene Quartiere, etwa mit dem Umbau des ehemalige Frauengefängnisses am Auer Mühlbach. Die "Barer Höfe" sind ein Teilprojekt auf dem Grundstück am Knick zur Nordendstraße; dort steht zur Straße ein leer stehendes Mietshaus, sechs Wohnungen mit insgesamt 500 Quadratmeter. Dieses soll nach Angaben von Legat-Living-Prokurist Johannes Thoma saniert und aufgestockt werden, auf acht Wohnungen mit insgesamt 750 Quadratmetern. Dieser Zuwachs an Miet-Wohnraum war für die Lokalbaukommission entscheidend, um die Genehmigung für die "Barer Höfe" im hinteren Bereich zu erteilen. Ein Haus mit vier Wohnungen auf 200 Quadratmeter, dazu Garagen und ein Gewerbeflachbau, durften abgerissen werden, weil im Vordergebäude "entsprechender Ersatzwohnraum" geschaffen wird, wie die Behörde mitteilt. Das Fazit: "Bei dem rückwärtigen Neubau ("Barer Höfe") handelt es sich demnach um eine Neuschaffung von Wohnraum, die nicht der Erhaltungssatzung unterliegt."

Das ist die Crux: Erhaltungssatzungen schützen nur das, was schon da ist und die Menschen, die bereits dort leben. "Erhaltungssatzungen sind nur für Bestandswohnraum anwendbar, eine wirtschaftliche Verwertung von Freiflächen, Gewerberaum etc. wird nicht reguliert", formuliert es das Sozialreferat und stellt klar: "Bei Neubauten im Sinne von Nachverdichtungsprojekten (ohne Eigentümerwechsel) hat die Landeshauptstadt München keine Handhabe im Sinne der Erhaltungssatzung." Heißt also: Es gelten die üblichen Bauvorschriften, die Stadt kommt nicht umhin, auch exklusive Eigentumswohnungen in den Satzungsgebieten zu erlauben - was lokale Politiker oft zähneknirschend zur Kenntnis nehmen müssen. In der Maxvorstadt stemmten die sich vor fünf Jahren vergeblich gegen einen Neubau an der Linprunstraße 40, Teil des Erhaltungssatzungsgebiets "St.-Benno-Viertel". Eine Wohnung wurde damals für 1,8 Millionen Euro offeriert.

Allerdings sind Erhaltungssatzungen nur befristet gültig; die Stadt muss den Milieuschutz alle fünf Jahre nachweisen, also das "Verdrängungs- und Modernisierungspotenzial" sowie das durchschnittliche Haushaltseinkommen und die Kaufkraft der Bevölkerung erheben. Luxus-Eigentumswohnungen jedoch werten eine Gegend auf und ziehen einkommensstarke Menschen an - was Einfluss haben kann auf eine Satzung, die ein nicht so solventes Milieu schützen soll. Anders gesagt: Der Zuzug zahlungskräftiger Klientel kann den Schutzschirm in Teilen aushebeln, wie das Sozialreferat prinzipiell bestätigt: Es sei möglich, "dass Gebiete aus dem Umgriff einer Erhaltungssatzung herausfallen". Und wann ist die kritische Masse an Luxuswohnungen erreicht? Vom Planungsreferat ist zu hören, es lasse sich kein Schwellenwert definieren, da die Gebiete sehr heterogen seien.

Die "Barer Höfe" werden zehn Wohnungen in Größen zwischen 67 und 181 Quadratmetern in einem stufenpyramidenartigen Bau umfassen; sie sollen im Sommer 2022 fertig sein, wie Prokurist Thoma sagt, der im Übrigen die Bedenken wegen der Erhaltungssatzung zurückweist. Zum einen habe man das Grundstück bereits 2016 erworben, die Satzung sei erst später erlassen worden. "Zum anderen zerstören wir keinen Wohnraum, wir tun dem Viertel nichts Schlechtes, im Gegenteil. Wir schaffen allein im Vordergebäude mehr, als vorher insgesamt zur Verfügung stand." Ja, die Eigentumswohnungen im Neubau seien hochwertig und hätten ihren Preis, sagt der Prokurist. "Doch der Erwerb des Grundstücks war sehr teuer und der Bedarf für so einen Wohnraum ist da." Die Hälfte der Wohnungen, so berichtet Thoma, seien bereis verkauft.

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SZ vom 18.04.2020
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