Süddeutsche Zeitung

Tierpark Hellabrunn:Das kommt so auch in der Natur vor, oder?

Lesezeit: 2 min

Erst der Mähnenwolf, dann die Erdmännchen: Der Artenschwund im Tierpark bewegt viele. Aber Mutter Natur ist auch nicht immer nett zu ihren Kindern.

Glosse von Stefan Simon

Der Artenschwund macht auch vor Hellabrunn nicht Halt. Der Tierpark war in diesem Sommer zwei Mal gezwungen, über Vorfälle zu berichten, die, so hieß es, "so auch in der Natur vorkommen" könnten. Nur, dass sie sich dann eben doch in einem Gehege in München zutrugen. Und am Ende war erst die Population der Mähnenwölfe und später die der Erdmännchen ausgelöscht. Mei, das kann schon mal passieren: Der Mähnenwolf starb aus, weil er eine ins Gehege geflatterte Gans verschlungen hatte; und das Leben der kompletten Erdmännchen-Kolonie fand jäh ein Ende, als eine Schlafhöhle einstürzte, die sich die Tiere selbst gegraben hatten. Im nächsten "Überblick über die Veränderungen unseres Tierbestands", den der Tierpark jedes Jahr herausgibt, wird das Ganze mit -1 und -4 zu Buche stehen.

Im Unterschied zu dem, was so auch in der Natur vorkommen könnte, stand über der jüngsten Mitteilung "Trauer in Hellabrunn" - und am Ende, dass "in absehbarer Zeit eine neue Erdmännchengruppe einziehen" werde. L'évolution, ç'est moi! Das ist praktisch, das kennt jeder, der schon einmal im Urlaub auf die Zierfische oder den Zimmerfarn der Nachbarn aufgepasst hat. So ein grüner Daumen ist eben immer auch eine Frage des Geldbeutels, und die Unterschiede zwischen Flora und Fauna sind da eher nebensächlich. Jedenfalls waren die Nachbarn schier begeistert - der Farn buschig und die Regenbogenfische so farbenprächtig wie nie. Schon bald war man in der gesamten Nachbarschaft beliebter Ratgeber in Futter- und Dünger-Fragen. Und nicht zu vergessen: der beste Kunde in der Pflanzen- und der Zoo-Abteilung des Baumarkts.

Ein Tierpark hat da natürlich mehr Erfahrung, in jeder Hinsicht. Denn wer vermisst schon die -153 Wild- und -38 Hausmeerschweinchen aus dem Bestandsüberblick von 2020? Gewiss, auch sie mögen in Frieden ruhen, aber ist Mutter Natur immer nett zu ihren Kindern? Und würde es im Frühjahr jemand merken, fehlte einer der 100 Flamingos, die gerade wegen Renovierungsarbeiten in ein uneinsehbares Ausweichquartier gezogen sind? Auch die Trauer um Rafiki, Ruanda, Quimbele und Quodo wird nicht ewig währen. Wenn man sie schnell genug ersetzt, wird ihr Fehlen vielleicht gar nicht bemerkt. Über Arken, den Mähnenwolf, kann man auf der Zoo-Homepage noch einiges lesen; die Meldung von seinem Tod dagegen ist verschwunden. Da zeigt sich, dass auch in Hellabrunn jemand einen grünen Daumen hat.

Seit August ist recht schnell Gras über die Sache gewachsen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5426687
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.10.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.