Süddeutsche Zeitung

Zum 80. Geburtstag:Gut, dass er am Schmarrn festhielt

Lesezeit: 3 min

Friedrich von Thuns Vater wollte ihm einst die Schauspielerei ausreden. Doch wieviel ärmer wäre die Film-, Fernseh- und Theaterlandschaft ohne diesen Grandseigneur, der heute 80 Jahre alt wird?

Von Thomas Becker

Zum Thema Toleranz ließ der saarländische Kabarettist Gerd Dudenhöffer seine Bühnenfigur Heinz Becker mal Folgendes sagen: "Ich bin jo wirklich ned tolerant. Kinner sinn Kinner - äh - awwer irjendwann is aa mol Schluss." Ernst Thun-Hohenstein sah das ähnlich. Als sein jüngster Sohn sich in München für Theaterwissenschaften einschrieb und in Erwägung zog, Schauspieler zu werden, marschierte der besorgte Vater zu Axel von Ambesser, nach dem Krieg einer der bekanntesten Schauspieler und Regisseure, mit der Bitte, dem Filius doch diesen Schmarrn auszureden.

Ambesser versprach, sich den Knaben mal anzusehen, wenig später meinte er zu Thun, der Junge solle das ruhig mal versuchen - und besetzte den Novizen gleich mal in den Kammerspielen in dem Stück "Gewitter am See". Der Groß-Regisseur Helmut Käutner saß im Publikum, wenig später war der Neue beim Film und spielte in den "Lausbubengeschichten". So ging sie 1962 los, die Karriere des Friedrich Ernst Peter Paul Maria Thun-Hohenstein. Und an diesem 30. Juni, an seinem 80. Geburtstag, ist sie noch nicht zu Ende.

Eine Film-, Fernseh- und Theaterlandschaft ohne den Grandseigneur, den weltgewandten Gentleman, den jovial-leutseligen Charmeur wäre um einiges ärmer. Der Spiegel betitelte ein Porträt mal mit "Ein Graf zum Knuddeln". In mehr als 200 Produktionen stand Thun vor der Kamera oder auf der Bühne. Man kennt ihn aus Serien wie "Der Bastian", "Die Verbrechen des Professor Capellari", "Der Bulle von Tölz" oder an der Seite Senta Bergers in "Die schnelle Gerdi". Er spielte im Vietnam-Kriegsdrama "O.K.", der Literaturverfilmung "Eine blassblaue Frauenschrift" und der Komödie "Helen, Fred und Ted", die ihm 2007 den Bayerischen Fernsehpreis einbrachte. Und ja, Anfang der 70er gehörte er auch zum Cast der "Schulmädchenreporte", wie manch andere Kollegen, aus denen später doch noch was geworden ist.

In "Benjamin Blümchen" gab er den Zoodirektor Herr Tierlieb, tuckerte auf dem "Traumschiff" und durch Rosamunde-Pilcher-Landschaften, hat immer noch eine Hauptrolle in der ARD-Reihe "Zimmer mit Stall", war zuletzt im ZDF-Sechsteiler "Der Palast" zu sehen, an Ostern hörte man ihn als Lehrer im Animationsfilm "Die Häschenschule - der große Eierklau". Er kann aber auch ernst: 1993 gab er in "Schindlers Liste" den SS-Obersturmführer Rolf Czurda. Und als ob das nicht alles schon bunt genug wäre, drehte er auch noch mehr als 60 Dokumentarfilme, in denen er die Sehnsucht nach Abenteuer und Entdeckungen auslebte: Bora Bora, Osterinseln, Ayers Rock - hat sich der Neugierige alles angesehen. Rückblickend sagt er: "Ich habe das Glück, mit viel Vergnügen meinem Beruf nachgehen zu können."

Dass er auf der Bühne landen würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Geboren ist Thun mitten im Krieg, im mährischen Kvasice bei Brünn, im heutigen Tschechien. Sein Adelsgeschlecht reicht zurück ins 12. Jahrhundert. "Die waren Ritter und Mundschenke der Bischöfe", erzählte er einmal in einem Podcast, "aber als Junger ist einem das egal." Später hat er ein wenig Ahnenforschung betrieben und einen Thun gefunden, der Mozart eingeladen hatte, Chopin habe zu Hause im Schloss einen Walzer für die Schwester seiner Großmutter geschrieben, und auch der Oberbefehlshaber von Kaiser Maximilian von Mexiko sei ein Thun gewesen.

An die ersten Jahre im Schloss hat er keine Erinnerung. Die setzt erst in einem anderen Kosmos ein: in einem ehemaligen KZ, in das die enteignete Familie nach dem Krieg gesteckt wurde, für eineinhalb Jahre. "Meine Mutter musste im Wald arbeiten, mein Vater in der eigenen Ziegelei", erinnert sich Thun. Der Hunger war omnipräsent: "Einmal kam meine Mutter mit einem Ei. Das wurde dann für die vier Kinder geteilt..." Dennoch habe er all das "nicht als Leid empfunden". Auch von den Eltern gab es "nie ein Wort der Klage", da müsse man eben durch. Heute sieht er in der Vertreibung gar einen Glücksfall: "Der Verlust war für die Eltern elementar. Aber wären wir in Mähren geblieben, hätte mein ältester Bruder irgendwann das Schloss bekommen, und ich wäre vielleicht Rübenbauer geworden." So hat es ihn nach München verschlagen, wo er "sehr gerne" lebe, hat er mal in einem Interview versichert.

Mit nur einem Koffer flohen die Eltern mit vier Kindern in die Steiermark, wo Friedrich aufs Internat ging: 40 Jungs im Schlafsaal, im Winter fror das Wasser ein: "Das war hart, aber irgendwie schön", erinnert sich Thun. Er lernt klassische Musik und Gregorianik kennen - und die Schauspielerei, als ein Pater ihn in der Theatergruppe in "Ali Baba und die 40 Räuber" besetzt. "Eine völlig naive Zeit", erinnert er sich, "Theaterspielen war für mich ein Ventil. Wenn ich in Griechisch oder Latein die Vokabeln nicht konnte, habe ich gesagt: 'Ich muss den Text von Nestroy lernen!' Ich habe nicht geahnt, dass das mein Beruf werden würde." Wurde es aber. So sehr sich der Papa auch gewehrt hatte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5611824
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.