Süddeutsche Zeitung

Freizeittipps für München und Region:Die Woche von Dietmar Lupfer

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Der Betreiber des Muffatwerks freut sich vom 17. bis 23. Januar ganz besonders auf den Choreografen Richard Siegal. Aber auch das Biotopia-Lab, Kunstinstallationen und ein Ausflug stehen auf seiner Agenda. Ein Gastbeitrag.

Seit fast 30 Jahren leitet Dietmar Lupfer zusammen mit Christian Waggershauser seinen kulturellen Gemischtwarenladen, das Muffatwerk. Von Anfang an setzte er dabei auf ein spartenübergreifendes Konzept aus Konzerten, Tanzstücken, Installationen, Clubabenden und Poetry-Slams. Dieses Konzept ist so erfolgreich, dass es zum Vorbild für viele andere Veranstaltungshäuser geworden ist.

Montag: Frust oder Freude

Die große Frage ist: Wie startet man an einem Montag in Pandemie-Zeiten in eine Woche? Besonders wenn dieser Montag eine Besonderheit hat. Hier mal eine popmusikalische Annäherung. Es gibt zwei Möglichkeiten: Ich höre Musik der "Happy Mondays", eine legendäre Band aus Manchester aus dem Anfang der Neunzigerjahre, und gehe das Ganze "happy" an. Wobei der Name der Band weitaus optimistischer klingt, als es ihre Lyrics sind. Oder ich halte es mit dem Songtitel "Blue Monday" von "New Order", der weltberühmten Band ebenfalls aus Manchester. Wobei das "blue" im Englischen für traurig oder deprimiert steht.

Dazu passend hat der britische Psychologe Cliff Arnall im Jahre 2005 wissenschaftlich nicht ganz ernst zunehmend errechnet, der dritte Montag im Jahr (also heute) sei der traurigste Tag im Jahr. Dann doch lieber gute Laune zeigen und sehen, was der happy Monday so bringt. Später lese ich das letzte Buch des in Berlin lebenden Philosophen Byung-Chul Han mit dem Titel "Infokratie - Digitalisierung und die Krise der Demokratie" (Verlag Matthes & Seitz Berlin) zu Ende. Han beschreibt sehr verständlich die heutige Krise der Demokratie und führt dies auf den digitalen Wandel der Gesellschaft zurück. Einen Ausweg aus der Krise gibt es für ihn nicht. Da kommt dann der blue Monday doch noch ans Tageslicht.

Dienstag: Klingende Skulpturen

Leider konnte ich bei der Eröffnung der Ausstellung "Sound of Spaces" von Nevin Aladağ in der Villa Stuck im Herbst nicht dabei sein. Aber die Ausstellung läuft ja noch, und jetzt werde ich mir ihre Klangskulpturen anzusehen. Hoffentlich gibt es auch einiges an interessanten Sounds zu hören. Nevin Aladağ lebt in Berlin und hat früher in München an der Akademie der Bildenden Künste studiert. Sie hat eine Professur für interdisziplinäres künstlerisches Arbeiten an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und beschäftigt sich seit langem intensiv mit Musik und Klang als Mittel der bildenden Kunst. Interessant ist auch ihre Familiengeschichte. Der Vater, einst Volksschullehrer, kam als Gastarbeiter in den Siebzigerjahren nach Stuttgart. Drei ihrer Geschwister hat es ebenfalls in die Kunst verschlagen. Das ist sicher kein Zufall.

Mittwoch: Raumgreifende Installation

Es zieht mich auf das neue Gelände der Isarphilharmonie HP8, aber in der Hans-Preissinger-Straße 8 gibt es nicht nur das Ausweichquartier des Gasteigs. Ich bin mit der Künstlerin Karina Smigla-Bobinski verabredet, die hier auf dem Gelände schon lange ihr Atelier hat und mir ihre neueste Arbeit vorstellen möchte. Karina studierte in Krakau und München Kunst und entwirft mediale, interaktive und oft raumgreifende Installationen, wo der Besucher selbst zum Akteur wird.

Exemplarisch dafür ist ihre wohl bekannteste Arbeit "ADA": ein mit Helium gefüllter Ballon mit mehreren Metern Durchmesser, besetzt mit großen Kohlestiften, die wie Stachel aussehen, schwebt durch den Raum der Decke entgegen oder senkt sich auf den Boden. Angetrieben durch die Besucher hinterlässt ADA so seine schwarzen Spuren an allen Oberflächen des Raumes. Karina bezeichnet es als eine "post-digital drawing machine". Eine künstlerisch sehr überzeugende Arbeit, die auch auf Kunst unerfahrene Menschen einen spielerischen Reiz ausübt. Ihre neueste Arbeit, die noch in der Entwicklung ist, befasst sich mit Wellen, Frequenzen und Vibrationen und begibt sich auf eine künstlerische Jagd nach dem schwarzen Loch. Es wäre schön, ihre Arbeiten öfters in München erleben zu können.

Donnerstag: Intensive Energien

Nach einigen Anläufen klappt es nun endlich: Richard Siegal ist nach einigen coronabedingten Absagen endlich wieder mit seinem Ensemble "Ballet of Difference" zu Gast in der Muffathalle. Richard Siegal war für viele Jahre Artist-in-Residence im Muffatwerk. Mittlerweile ist er in Köln, wo ihm das Schauspiel Köln den Rahmen bieten konnte, um eine größere Kompagnie zu gründen. Wir unterstützen seine Arbeit weiter als Koproduzent. Richard ist ein echter Freund, sowohl des Hauses wie auch persönlich. In dem neuen Stück von ihm "Made Two Walking / Made All Walking" erzeugen die Tänzer*innen auf der Bühne einen gemeinsamen Resonanzraum. Das ist sehr intensiv und greift auf das Publikum über. Energien und der Rhythmus übertragen sich. Alle Körper schwingen gemeinsam, live und in Echtzeit. Da zeigt sich die Extraklasse von Choreograf und Ensemble.

Freitag: Entspannen im Bad

Nach den sicher intensiven Tagen mit Siegal und seiner Tanzkompagnie ist Relaxen und Entspannen angesagt. Am Abend gehe ich ins Müller'sche Volksbad. Leider muss das übliche Anschwitzen für das Wochenende in der Halle mit dem römisch-irischen Schwitzbad entfallen, da es coronabedingt geschlossen ist. Somit wird es etwas sportlicher in der Schwimmhalle zu gehen. Ein guter Grund schneller in das ebenfalls im Volksbad beherbergte Restaurant "Speiserei" mit seinen tollen Jugendstilelementen umzuziehen und bei leckerem Essen und Absackern der vorgezogenen Sperrzeit von 22 Uhr entgegenzuströmen. Eigentlich fängt die Nacht um 22 Uhr erst an, aber jetzt in Pandemiezeiten ist schon Schluss. 22 Uhr - der Körper wird plötzlich träge und man möchte nicht in die Kälte. Aber das Virus hat jetzt Feierabend. Also geht es etwas widerwillig ab in die trübe Winternacht.

Samstag: Ab in die Berge

Da die Woche für mich wenig überraschend mit einer ganzen Menge Kultur-Programm gefüllt war, geht es jetzt mal tagsüber in die Berge, aber nicht weit entfernt. Über Rottach-Egern gelangt man auf einer Mautstraße am Rottachfall vorbei zur Suttenbahn und somit quasi von hinten in das Skigebiet vom Spitzingsee. Je nach Schneelage und Betrieb entscheidet man sich für das Skifahren oder man fährt etwas weiter und macht eine Wanderung im Gebiet des Suttensees. Alles für Münchner*innen nichts Neues, aber für einen Kurzausflug ganz passend.

Zurück in München, würde man gerne gute Clubsounds im Ampere oder Blitz genießen, aber alles dicht. Da bleibt nur ein Spaziergang mit Familie und Freunden in der Dunkelheit an der Isar, man hangelt sich über die Auen von Brücke zu Brücke, der selbstgemachte Glühwein kann mehr als nur aufwärmen. Hat alles seinen Reiz, aber die durchgemachte Nacht so wie wir sie kennen als Phase des visionären und anarchistischen Erlebnisses, fehlt. Bleibt abzuwarten, wann pandemische Realitäten, Impffortschritt und politisches Krisenmanagement eine Symbiose hinbekommen, die wieder ein aktives Nachtleben ermöglicht.

Sonntag: Im Umweltlabor

Heute werde ich einen Spaziergang durch den Botanischen Garten unternehmen und mir das dort angesiedelte Biotopia-Lab ansehen. Der Leiter Michael John Gorman hat mich zu einer persönlichen Führung eingeladen. Unbedingt ausprobieren möchte ich den Birdly - ein Virtual-Reality-Vogelflugsimulator mit dem man über die schönsten Landschaften Bayerns fliegen kann. Fly like an eagle! Das alles macht Lust auf den Neubau des Biotopias - ein Museum für Lebens- und Umweltwissenschaften, mit dessen Bau hoffentlich bald in unmittelbarer Nähe begonnen wird. München braucht Orte, an denen sich nachhaltig mit der Zukunft auseinandergesetzt wird und wenn dieser Ort von moderner Architektur geprägt ist, umso besser.

Der Westfale Dietmar Lupfer zog 1983 nach München. In den Achtzigerjahren organisierte er europaweit Konzerte und Tourneen, unter anderem für Gruppen wie die "Einstürzenden Neubauten", "Element of Crime" und Henry Rollins. 1993 gründete er zusammen mit Christian Waggershauser das Muffatwerk in München, dessen Künstlerischer Leiter er bis heute ist. Der Träger des französischen Ordens "Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres/Ritter im Orden der Künste und Literatur" bietet dort Bühnen für Konzerte, Lesungen, Tanz, Poetry-Slam und Installationen. Lupfer hat eine langjährige kuratorische Erfahrung in der Konzeption zeitgenössischer Musikprogramme und der Produktion international beachteter Kunst- und Kulturaustauschprojekte, die ihn schon bis nach Rio, Johannesburg und Hongkong gebracht haben. So setzte er von Anfang an auch in der Muffathalle auf ein spartenübergreifendes Konzept an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Wissenschaft, Tanz und Performance.

(Anmerkung der Redaktion: Der Gastautor hat sich für die Schreibweise mit Gender-Sternchen entschieden. Da es sich um einen persönlichen Artikel handelt, wurde dies entgegen der sonstigen SZ-Regelung übernommen.)

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