Süddeutsche Zeitung

Hommage:Kunst als Mutprobe

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Peter Goedel ist einer der aufregendsten Filmemacher des jungen deutschen Kinos. Zu seinem 80. Geburtstag widmet das Filmmuseum München ihm eine kleine Werkschau.

Von Fritz Göttler

Gegen den Strom bewegen sich die Menschen in den Filmen von Peter Goedel, auch auf die Gefahr hin, unterzugehen, als Loser zu erscheinen. Goedel ist einer der aufregendsten Filmemacher des jungen deutschen Kinos, zu seinem 80. Geburtstag widmet das Filmmuseum ihm eine kleine Werkschau.

In seinem wohl bekanntesten Film "Talentprobe" geht es um einen Abend im Sommer 1979 im Kölner Tanzbrunnen, dort dürfen sich junge Leute als Schlagersänger versuchen (vor bis zu 4000 Zuschauern), naiv und hingabevoll, mit "Stand by Me" oder "Rosamunde". Eine Mut- eher als eine Talentprobe: Sie werden vehement ausgebuht, ausgepfiffen, beschimpft: "Das ist ja grausam!" Und viele Filmkritiker standen, in einem dubiosen Unisono-Sog, voll auf der Seite dieses Publikums, machten sich lustig über die Möchtegern-Musiker.

Peter Goedel aber steht auf der Seite der tapferen Performer, er filmt sie beim Vorgespräch mit dem Veranstalter, bei der Verwandlung in eine Schlagerfigur, mit geföhnten Frisuren und Klamotten, zeigt ihre Traumverlorenheit auf der Bühne, die sie panzert gegen die Reaktionen des Publikums. Die Kunst gehört dem Volke, das ist ihre Botschaft.

Peter Goedel, am 3. April 1943 in Torgau geboren, kurz vor dem Mauerbau mit den Eltern aus der DDR in den Westen geflohen, hat ein feines Gespür für den Zusammenhang von Klassensystem und Kunst. Die Kunst gehört dem Volke, das ist ein berühmter Satz von Lenin, in der DDR war er Programm für die Kulturhäuser, die neben großen Industrieanlagen errichtet wurden, und von einem solchen erzählt Peter Goedel in "An der Saale hellem Strande", nämlich dem des VEB Chemische Werke Buna, von Aktivitäten und Träumen: Alle Menschen sollen singen, malen, tanzen.

Eine besondere Beziehung hatte Peter Goedel zu dem Schriftsteller Wolfgang Koeppen, 1987 verfilmte er dessen Roman "Das Treibhaus". Ein böses Porträt von Bonn, der Bundeshauptstadt der Nachkriegszeit, in deren Altnazi-Dunst ein junger Abgeordneter sich nicht zurechtfindet. Ihn spielt der sensible Christian Doermer, einer der Mitunterzeichner des Oberhausener Manifests 1962: "Er war wie ein Schwimmer", heißt es bei Koeppen, "der gegen eine starke Strömung zum Ufer schwimmt und weiß, er wird es nicht schaffen, er wird abgetrieben, er kommt nicht voran, die Anstrengung ist sinnlos, und schöner wär's, man ließe sich fallen, schaukelte ins Grab."

Zehn Jahre später filmt Peter Goedel die marokkanische Stadt Tanger, seit den Fünfzigern "Nest" der Spione und Künstler. Ein alter Geheimdiplomat kehrt zurück, verkörpert von Armin Mueller-Stahl, der durch die Stadt und seine Erinnerungen flaniert (an Paul Bowles, Jean Genet, Truman Capote). Mueller-Stahl will bei der Vorführung am Mittwoch im Filmmuseum anwesend sein.

Ein melancholisches Fazit von Goedels Werk ist der kurze späte Film "Tod in Rom, August von Goethe", 2022. Goethes Sohn August fährt nach Rom, wo er mit 40 Jahren stirbt. Das ist womöglich die härteste Talentprobe: sich profilieren gegen einen berühmten, künstlerischen, unnachsichtigen Vater.

Werkschau Peter Goedel , Do., 30. März, bis Mi., 5. April, Filmmuseum München im Stadtmuseum, alle Vorstellungen in Anwesenheit von Peter Goedel

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