Süddeutsche Zeitung

Jahresbilanz 2022 der Feuerwehr:Ein besonders heißer Tag im August

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Vom Großbrand bis zur Kleintier-Rettung: Die Zahl der Feuerwehr-Einsätze ist in München im vergangenen Jahr auf fast 100 000 gestiegen. Ein Notarztwagen war dabei fast im Dauereinsatz - und der Tag des Helene-Fischer-Großkonzerts besonders stressig.

Von Joachim Mölter

Wolfgang Schäuble ist schon seit fast 30 Jahren bei der Münchner Berufsfeuerwehr, seit 18 Jahren als deren Chef, aber einen Tag wie den 20. August 2022 hat er noch nicht erlebt: Es fing damit an, dass in der Früh ein Feuer in der Saunalandschaft des Prinzregentenbades ausbrach, das nur schwer zu löschen war. Es ging weiter mit Hilfsdiensten bei den diversen Sportveranstaltungen der European Championships, die auch noch an verschiedenen Orten im Stadtgebiet stattfanden. Und es endete mit dem Großkonzert von Helene Fischer vor 130 000 Zuschauern auf dem Messegelände in Riem, wo die Summe von kleineren Verletzungen und Kreislaufkollapsen zu einer Spitzenbelastung des Rettungsdienstes führte. Bevor das Konzert über die Bühne gehen konnte, mussten zudem erst noch die ersten 30 000 Besucher vor einem aufziehenden Gewitter mit starkem Regen in Sicherheit gebracht werden. "Das war ein Tag, der fordernd war - von sechs bis 24 Uhr", resümierte Schäuble bei der Jahresbilanz der Münchner Berufsfeuerwehr am Mittwoch.

Dem Oberbranddirektor und seinen Leuten ist auch an den anderen 364 Tagen des Jahres 2022 nicht langweilig gewesen. Im Durchschnitt mehr als 270 Mal pro Tag wurden sie alarmiert, was sich auf fast 100 000 Einsätze summierte - 99 492 waren es genau. Das sind fast elf Prozent mehr als im Jahr davor (89 815) und knapp 25 Prozent mehr als im Corona-Jahr 2020 (80 678), als die Menschen sehr viel daheim waren. Die Zunahme liegt vor allem daran, dass der Rettungsdienst vermehrt angefordert wurde. Kein Fahrzeug der Feuerwehr rückte 2022 häufiger aus als der in Thalkirchen stationierte Notarztwagen - 4737 Mal, umgerechnet alle zwei Stunden. Er war quasi im Dauereinsatz.

Wegen ihrer ursprünglichen Aufgabe, der Brandbekämpfung, wurden die Feuerwehrleute immerhin noch 7748 Mal alarmiert, in 1475 Fällen mussten sie tatsächlich auch ein Feuer löschen, die meisten waren von kleinerer oder mittlerer Größe. Allerdings brauste die Berufsfeuerwehr im vergangenen Jahr auch zu elf Großbränden wie dem im Prinzregentenbad.

Die Aufgaben der Feuerwehr haben sich im vergangenen Jahr weiter gewandelt, hat die neue Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl bereits feststellen können. Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise sei auch der nach dem Ende des Kalten Krieges in den Hintergrund geratene Bevölkerungsschutz wieder ins Bewusstsein gerückt, sagte sie. Die Stadt hat insgesamt drei Stäbe für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) installiert, die alle von der Branddirektion geleitet werden, namentlich von Wolfgang Schäuble. Der 60-Jährige ist mithin nicht nur Münchens erster Feuerwehrmann, sondern auch oberster Katastrophenschützer.

Die Feuerwehr ersetzt sechs ihrer Kleinalarmfahrzeuge mit neueren Modellen

Dass die Münchner Feuerwehr in Sachen Digitalisierung weit vorne ist und für ein Geodaten-Informationssystem sogar ausgezeichnet wurde, lobte Sammüller-Gradl auch als Schäubles Verdienst. Mit den Geodaten, so erklärte sie, ließen sich beispielsweise während des Ukraine-Krieges die Flüchtlingsbewegungen in Osteuropa beobachten und entsprechende Maßnahmen in München vorbereiten. Was die Ukraine-Hilfe angehe, dankte Schäuble seinerseits den Ehrenamtlichen der Freiwilligen Feuerwehren: "Gerade bei großflächigen Ereignissen sind wir sehr auf sie angewiesen."

Was das Jahr 2023 an Herausforderungen noch bringen wird, weiß natürlich auch Schäuble nicht: "Banalere Dinge, hoffe ich." Für die hat sich die Feuerwehr schon mal gerüstet, in der Feuerwache 9 in Neuperlach präsentierte Schäuble am Mittwoch acht neue Kleinalarmfahrzeuge, kurz: "Klaf" - "die heimlichen Stars unter den Feuerwehrautos", wie er findet. Mit den "fahrbaren Werkzeugkisten", wie sie der für die Beschaffung von Einsatzmitteln zuständige David Kreß nennt, werden Aufgaben erledigt, die weder personalintensiv noch besonders akut sind: die Rettung von Tieren (1524 im vorigen Jahr), das Abpumpen bei Wasserschäden (442 Einsätze), die Säuberung von Straßen nach Verkehrsunfällen (432).

Seit 2006 verfügt die Feuerwehr über sechs solcher Klaf, die werden nun ersetzt. Angesichts der jüngsten Zahlen wurden Konzept und Ausrüstung überarbeitet, erklärte Kreß. Nebst Schmutzwasserpumpen, Bindemitteln und Brettern befinden sich künftig mehr Werkzeuge zum Retten und Einfangen von Tieren an Bord: Fangkörbe, Wurfnetze, Schlangenhaken, Transportkörbe in diversen Größen. So vielseitig sind die Aufgaben der Feuerwehr: Sie hat 2022 nicht nur das Feuer im Prinzregentenbad gelöscht, sondern auch einen kleinen Igel befreit, der sich mit einem Beinchen in einem Gullydeckel verfangen hatte.

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