Süddeutsche Zeitung

Fasching in München:"O mei, o mei, o mei"

Lesezeit: 3 min

Wenn die Damischen Ritter durch die Innenstadt ziehen, ist Oberfalke Hans-Peter Stadler mit dabei. Er erklärt, warum sein Faschingsverein nicht Helau oder Alaaf ruft und wie Kamelle in München richtig heißen.

Interview von Thomas Becker

Es ist wieder soweit: Am Sonntag ziehen bis zu tausend maskierte Karnevalsfreunde durch die Innenstadt. Zum 15. Mal veranstalten die Damischen Ritter den Münchner Faschingszug. Ein Gespräch mit Hans-Peter Stadler, 64, dem Oberfalken und 1. Vorsitzenden der Turmfalken e.V - Die Damischen Ritter.

SZ: Herr Stadler, 1928 wurde die "Gesellige Vereinigung" der Turmfalken gegründet, aus der später die Damischen Ritter hervorgingen. Wie kam es dazu?

Hans-Peter Stadler: Anfang der Fünfzigerjahre fanden die ersten Bälle statt. Der Verein ist entstanden aus der Bürger-Sängerzunft, die es heute noch gibt. Aus der haben sich ein paar Revoluzzer abgespalten, die etwas anderes singen wollten - die Geburtsstunde der Turmfalken. Mittlerweile sind wir gemeinnützig, fördern Gesangstum, bayerisches Brauchtum, Musik und Faschingskultur. Wir haben auch einen Chor, nur aus Männern bestehend.

Wie viele Damische Ritter gibt es?

49. Viele sind schon im Ruhestand, der Altersschnitt dürfte bei Mitte 60 liegen. Unser Ältester hat im November 99. Geburtstag gefeiert, die Jüngsten sind Ende 20.

München gilt nicht gerade als Faschings-Hochburg. Vor 2006 gab es viele Jahre keinen "Gaudiwurm" mehr. Wie kam es zum Revival?

Wir saßen beim Stammtisch und sagten uns: "Wir müssen mal rausgehen und Werbung machen für unseren Kinderball!" Unsere Galionsfigur ist ja der Herzog Kasimir, heute verkörpert der Kabarettist André Hartmann Kasimir III. Damals haben wir den Herzog samt Schwert auf einem Wagen ein paar Mal um den Stiglmaierplatz gezogen und neugierigen Fragern von unserem Ball erzählt. Dann hieß es: "Wir können ja noch ein Stück weiter laufen!" Bis schließlich einer sagte: "Machen wir halt einen kleinen Zug!" Bei der Planung hatten wir sogar Anfragen aus Brasilien - die sind dann aber doch nicht gekommen. Samba-Tänzerinnen: Das wär' was gewesen!

Ihr Faschingswagen hat passenderweise die Anmutung einer Burg.

Der Aufbau ist eine mordsmäßige Arbeit! Das geht nicht mal eben zwischen Weißwürsten und Nachmittagskaffee. Die Teile sind im uralten Biergewölbe unseres Stammhorstes, dem Löwenbräukeller, eingelagert. Der Wagen ist zehn, zwölf Meter lang und hat Platz für 20, 25 Leute.

Die Kamelle ins Volk werfen?

Bei uns heißt das Guadln! Die fliegen genauso gut wie Kamelle.

Wie viel Süßkram haben Sie an Bord?

Bestimmt einige hundert Kilo: Bonbons, Waffeln, Lakritze. Wir werden auch mit Krapfen gesponsert.

Die werden hoffentlich nicht geworfen!

Krapfen schmeißen ist blödsinnig. Die werden von unseren Damen aus einem Leiterwagen gereicht.

Was hat es mit den verschiedenen Wappen auf der Wagenburg auf sich?

Jedes Mitglied bekommt bei der Aufnahme einen Ritternamen samt Wappen, der in irgendeinem blödsinnigen Zusammenhang mit seinem Beruf oder Hobby steht.

Und Sie sind der Ritter ...

Der Name ist ein bisschen komisch: Ich bin der Herbstzeitlose von Wartaweil am Ammersee.

... oha.

Zwischen meiner Aufnahme und dem Ritterschlag musste ich sechs Monate warten, und unserem Namensdichter fiel damals nichts Damischeres ein. Aber im Verein werden wir nicht so gerufen.

Welches Kostüm tragen Sie?

Ritterkostüm: zweifarbige Pumphose aus Samt, farblich versetztes Wams, Schaftstiefel, breiter Gürtel, Barretthut. Das Kennzeichen der Damischen Ritter waren ja die Kopfbedeckungen, früher hatten wir viele handwerklich Versierte dabei, die sich von Batterien angetriebene Helme mit Leuchtdioden gebastelt haben. Hat man aber nur kurz getragen, weil die Dinger sehr schwer waren.

Was es heuer nicht mehr gibt, ist der Damische Ritterball . Warum?

Ein bissl trauriges Thema. Es ist das erste Mal, dass wir keinen Ball machen - weil der Fasching nicht mehr diese Akzeptanz hat, die wir bräuchten, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Wir können uns die Kosten für so einen Ball nicht leisten. Wie viele Faschingsbälle gab es früher in München? Warum gibt es die alle nicht mehr? Das soll aber nicht heißen, dass unser Ball, den man mit Fug und Recht als Traditionsball bezeichnen kann, ein für allemal verschwunden ist. Vielleicht gibt es ihn mal wieder in einer anderen Form, ein bisschen kleiner, mal sehen.

Aber den Kinderball gibt es noch: am 23. Februar im Löwenbräukeller.

Der ist seit Jahren mit über tausend Leuten mehr als voll: ein Gewusel und Gekreische, dass es grad schee is. Den gibt's schon ewig, da war ich schon als Kind, meine Frau auch, als Prinzessin mit fünf oder sechs. Aber da hab' ich sie noch nicht kennengelernt.

Im Rheinland rufen sie Helau oder Alaaf - was rufen die Damischen Ritter?

Es gibt eigentlich keinen Ruf. Wir bei den Damischen Rittern sagen immer "O mei, o mei, o mei" - das soll ausdrücken: "O mei, sind wir froh, dass es in München noch einen Fasching und solche Vereine wie uns gibt!" Wir fühlen uns wahnsinnig wohl, dass wir diese Tradition hochhalten können.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2020
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