Süddeutsche Zeitung

Berufskleidung von der Dress Manufaktur:Mehr als schnöde Blaumänner

Lesezeit: 3 Min.

Hana Martincova kleidet Busfahrer ebenso ein wie Ärzte und ihre Teams. Natürlich müssen Kittel, Hosen und Blusen strapazierfähig und bequem sein. Doch die Dress Manufaktur setzt von der Ästhetik noch was drauf, wo seelenlose Online-Shops an ihre Grenzen stoßen.

Von Franziska Gerlach

Manche Arztpraxen machen ein kleines Event aus ihrem Besuch in der Steinstraße 75. Erst geht die Belegschaft essen, danach zum Shoppen in die "Dress Manufaktur". Und während die Angestellten die Kleiderstangen durchkämmen, bespricht Hana Martincova mit den Chefs, was farblich zum Online-Auftritt der Praxis passen würde und welche Optionen bei den Materialien bestehen. Die Münchner Designerin hat sich auf "Berufskleidung" spezialisiert. Ein Begriff, der mehr nach Katalogware klingt denn nach Vogue. Mehr nach Blaumann als nach modernen Outfits, die zu einem einheitlichen Erscheinungsbild am Arbeitsplatz beitragen. Und der zweifelsohne viel zu öde ist für die Blusen, Oberteile und Kleider, die unter dem Namen des 2016 gegründeten Labels entstehen.

Zahnärzte, Hautärzte, Schönheitschirurgen und Schmerztherapeuten kleiden ihre Mitarbeiter in Haidhausen ein, aber auch ein Lieferdienst für Bio-Lebensmittel, eine Münchner Bank und ein Verkehrsunternehmen zählen zu Martincovas Kunden. Da kann es schon mal vorkommen, dass zehn Busfahrer gleichzeitig in dem hellen Showroom an der Steinstraße vorbeischauen, um ihre neuen Hosen anzuprobieren.

"Der Ansatz für meine Kollektionen kommt aus der Mode", sagt die Designerin und nimmt einen Kleiderbügel von der Stange. Daran hängt eine hellblaue Bluse mit Stehkragen in U-Boot-Form, und bestünde diese nicht aus einem festen Stoff, könnte man sie problemlos zum Feierabenddrink tragen. Als Martincova das gute Stück um 180 Grad dreht, wird am Rücken eine Knopfleiste sichtbar. Die Bluse sei "das Markenzeichen" ihres Labels und in zig Farben erhältlich. Auch Blusen mit Bubikrägen, Arztkittel mit femininem Schnitt und für Männer Oberteile mit asymmetrischem Reißverschluss gehören zum Sortiment. Klar, auf Wunsch werden in Haidhausen auch die allseits beliebten T-Shirts mit Firmenlogos umgesetzt. "Da bin ich vergleichbar", sagt die Gründerin der Dress Manufaktur. Letztlich geht es dann nämlich darum, wer das Shirt am günstigsten anbietet. Aber bei ihr gibt es eben auch anderes.

Bei Martincova kostet ein Arztkittel netto 120 Euro, eine Bluse 70 Euro und eine Hose 50 Euro. Produziert wird neben Portugal und der Türkei hauptsächlich in ihrer Heimat Tschechien, teilweise arbeitet sie auch mit externen Modemarken zusammen, Hosenanzüge kommen zum Beispiel von der Firma Greif. Mit Beratung und Service wollen Martincova und ihr Team die Kunden dort abholen, wo seelenlose Online-Shops an ihre Grenzen stoßen. "Wir gehen sehr auf die Wünsche ein", betont sie. Und wenn einer die Bluse ohne Schleife am Rücken möchte, dann soll es eben so sein.

Nach einer Schneiderlehre in Tschechien besuchte Martincova in München die Deutsche Meisterschule für Mode, anschließend arbeitete sie an der Isar für die Designerin Gabriele Blachnik, für das Damenlabel Oska und einen Trachtendesigner, später wurde sie Produktionsleiterin einer Firma, die Bleischürzen zum Schutz vor radioaktiver Strahlung herstellt.

Als sie nach der Elternzeit nicht in die leitende Position zurückkehren durfte, entschied sie sich für die Selbständigkeit. Okay, das mache ich jetzt, habe sie sich gesagt, erzählt die Mutter zweier Kinder. Ihr erster Kunde war ihr Mann, ein Neurochirurg, es folgte der Auftrag einer Dermatologin aus Nymphenburg und einer Zahnärztin mit Praxen in Bogenhausen und Italien. Für die Mitarbeiter eines Kinderzahnarztes ließ sie Erdbeeren und Bananen auf pinkfarbene Kleider sticken, gesunde Snacks, deren Anblick die Kleinen bei der Behandlung ablenken soll. Mittlerweile kommen die Aufträge aus Frankfurt und Berlin, aus Österreich und der Schweiz. Selbst ein deutscher Zahnarzt aus Costa Rica hat schon bei der Dress Manufaktur bestellt. Solche weit entfernten Länder seien aber die Ausnahme.

Im ästhetisch anspruchsvollen München hat man dagegen längst verinnerlicht, wie wichtig ein ansprechender Auftritt für ein Unternehmen ist. Sei ja quasi eine Visitenkarte, sagt Martincova. Doch Berufskleidung sollte nicht nur gut aussehen, sie muss auch strapazierfähig sein. Bei hohen Temperaturen waschbar. Und bequem. Immerhin verbringe man darin mehr Zeit als in "normaler" Kleidung, sagt Martincova. Allerdings sei es erfahrungsgemäß wenig zielführend, ein einheitliches Outfit gegen den Willen der Mitarbeiter durchzusetzen. Sie berichtet von einer Arztpraxis, deren skeptische Mitarbeiter sie zunächst nur mit Blusen und Cardigans ausgestattet habe. Irgendwann rief die Frau des Mediziners an und verkündete freudig: "Hana, jetzt haben wir sie so weit. Jetzt machen wir die Kleider." Die Praxisangestellten tragen heute sonnengelbe Kleider und dunkelblaue Strumpfhosen. Zumindest bei den Sprechstunden der Privatpatienten.

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