Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in München:CSU fordert Schafkopfen als Schulfach

Lesezeit: 1 min

Das Kartenspiel stärkt strategisches Denken, Rechnen und Teamfähigkeit - sagt die CSU und fordert ein eigenes Schulfach. Das dürfte selbst grimmigste Hausmeister freuen.

Kolumne von Thomas Schmidt

Es war einmal der Grihaz. Nur wenn es wirklich unvermeidbar war, verließ er sein Kämmerlein, scheuchte ein paar Kinder fort, wechselte eine ausgebrannte Glühbirne aus und verschwand sogleich. Warum der Grihaz, der grimmigste Hausmeister aller Zeiten, ausgerechnet eine Schule ausgewählt hatte, um dort seinem Tagwerk nachzugehen, bleibt ein Rätsel. Vielleicht war seine Abscheu vor tobenden Kindern so heftig, dass er schlicht dem alten Wahlspruch folgte, man solle seinen Freunden nahe sein - seinen Feinden aber noch näher.

Wie es auch sei, selbst auf das zornesfaltige Antlitz des alten Mannes schlich sich ein mildes Lächeln, wenn die letzte Schulglocke geläutet hatte, die meisten lärmenden Pennäler sich verzupften, um fortan ihren Eltern auf den Geist zu gehen, und sich ein kleines traditionsbewusstes Grüppchen in der Schulcafeteria zusammentat, um ein wenig zu karteln. Dann fischte sich der Grihaz ein Bierchen aus seinem Kühlschrank, setzte sich dazu und trumpfte auf.

Ob nun die Münchner CSU den Wackeren, mehr Gnom als Mann, im Sinn hatte, als sie am Mittwoch folgenden Antrag offiziell einbrachte: "Die Landeshauptstadt München soll an ihren Schulen ,Schafkopfen' als Wahlfach, Arbeitsgemeinschaft o.ä. anbieten"? Man wünsche sich, dass das Kartenspiel "gerade in digitalen Zeiten wieder mehr an Bedeutung gewinnt, auch in der Schule", wird der bayerische Philologenverband zitiert. Recht so! Denn die Zeiten, in denen der Grihaz kräftig Schellen verteilte, sind lang vorbei. Wo einst gemeinschaftlich gekartelt wurde, wird heute ins Handy geglotzt. Aber was bitte soll der Grihaz mit Instagram anfangen? Oder mit Tiktok?

Nein, so darf es nicht weitergehen. Ein Glück, dass sich wenigstens eine Partei in der Stadt den wirklich wichtigen Dingen widmet, sozusagen in Zeiten der Nöte am ganz großen Rad dreht. Schafkopfen, sagt die CSU, ist Teil des bayerischen Kulturgutes. Es "stärkt strategisches Denken, Rechnen und Teamfähigkeit". Es geht also um nicht weniger, als um die Zukunft unserer Kinder. Und darum, dass der Grihaz endlich wieder lächeln kann.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4822341
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.