Süddeutsche Zeitung

Labordaten:Corona-Mutationen breiten sich im Münchner Raum aus

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Das legen zumindest Daten eines Testlabors nahe. Das Unternehmen meldet, dass es aktuell in 30 Prozent der positiven Corona-Proben aus dem Raum München Virus-Mutationen findet.

Von Thomas Balbierer, München

Die neuen Varianten des Coronavirus breiten sich auch im Raum München weiter aus. Das legen zumindest Daten des Münchner Testlabors Becker & Kollegen nahe, das positive Corona-Proben aus der Region mit speziellen PCR-Tests auf Mutationen untersucht.

Anfang der Woche teilte das Unternehmen mit, dass aktuell 30,9 Prozent der Proben aus dem Raum München, in denen es eine Corona-Infektion nachweise, eine N501Y-Mutation aufwiesen - diese Mutation ist typisch für die derzeit kursierenden Corona-Varianten, die zuerst in England, Südafrika und Brasilien entdeckt wurden. Je nach Studie gehen Wissenschaftler davon aus, dass die britische Variante zwischen 33 und 70 Prozent infektiöser ist als die bisher verbreitete Variante, vermutlich sogar tödlicher. Politiker bangen deshalb um die positive Entwicklung bei den Infektionszahlen und warnen vor schnellen Lockerungen.

Auf den ersten Blick liefern die Daten des Münchner Testlabors also alarmierende Werte, sieht man aber genauer hin, verlieren die genannten 30 Prozent etwas an Dramatik: Die neuen Daten beziehen sich dem Unternehmen zufolge auf nur 81 Corona-Fälle, die zwischen dem 5. und 7. Februar gefunden und ausgewertet wurden. Sie stammen zum Beispiel aus Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Teststationen und bilden nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Infektionsgeschehens der Region ab. Bedeutend aus Sicht des Medizinunternehmens ist aber auch: Vor wenigen Wochen lag der Anteil der bei Becker & Kollegen festgestellten Mutanten noch bei unter fünf Prozent.

Bislang habe man Mutanten im "knappen dreistelligen Bereich" gemeldet

Auf einem Balkendiagramm, das vom Labor regelmäßig auf der Internetseite der Apotheken Umschau veröffentlicht wird, wachsen die Balken mit dem Anteil der nachgewiesenen Mutation seit Januar immer höher. "Das ist schon ein Zeichen dafür, dass sich die neuen Varianten derzeit schnell ausbreiten", sagt Jürgen Durner, Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Chief Medical Officer im Münchner Labor. Bislang habe man Mutanten im "knappen dreistelligen Bereich" an das Münchner Gesundheitsreferat gemeldet, sagt er.

Bei mehr als 90 Prozent der erkannten Fälle handele es sich um die in Deutschland am stärksten zirkulierende Corona-Mutante B.1.1.7, die erstmals in Großbritannien nachgewiesen wurde. Untersucht wurden die Proben im Labor anhand sogenannter Detektions-PCR-Tests. Sie können starke Hinweise auf das Vorliegen einer Mutante liefern. Außerdem könne man für die britische Variante eine bestimmte Deletion, eine Eigenschaft des Virusgenoms, nachweisen, sagt Durner.

In Bayern gibt es bislang 129 Mutanten

Ein "eindeutiger Nachweis" nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist das allerdings nicht. Dort zählt nur eine vollständige Sequenzierung des mutierten Virusgenoms als Nachweis - was jedoch dauert. Bislang gebe es in Bayern 129 bestätigte Mutanten, wie Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Dienstag im Landtag bekannt gab.

Durner betont, er sei "relativ sicher", dass seine Methode Gewissheit bringe. Dennoch ist ihm der Hinweis wichtig, dass seine Zahlen "nicht repräsentativ" seien, und nur bedingt eine Aussage über die tatsächliche Verbreitung der Corona-Mutanten zuließen. Würden zum Beispiel viele Proben aus einem Pflegeheim, in dem Mutanten ausgebrochen seien, untersucht, könne dies das Gesamtbild verzerren. Eines wird aber deutlich: Die britische Virus-Variante ist da, und sie breitet sich aus.

Das RKI präsentierte am vergangenen Freitag eine Studie, wonach die britische Mutante Ende Januar 5,8 Prozent der Gesamtinfektionen in Deutschland ausgemacht hat. Die Quote, prophezeite RKI-Präsident Lothar Wieler, werde weiter steigen. Die Daten des Münchner Testlabors könnten also ein Vorbote sein für das, was noch kommt.

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SZ vom 10.02.2021
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