Süddeutsche Zeitung

Fotoprojekt in Corona-Zeiten:Ernste Lage, ernster Blick

Lesezeit: 2 min

Mit schwarz-weiß Bildern dokumentieren zwei Frauen die Situation von Gastronomen. "Wirte im Lockdown" heißt ihre Ausstellung, die im Dezember gezeigt werden soll.

Von Laura Kaufmann

Am Anfang war die Nachricht eines Freundes im Frühjahr, "Helena, kannst du mich bitte bei Gelegenheit anrufen? Mir ist eine Idee eingefallen, die vielleicht interessant sein könnte." Natürlich rief Helena Heilig an, und was ihr Bekannter vorschlug, schien so offensichtlich, dass ihre Kollegin Susanne Fiedler nur sagte, "Warum sind wir da nicht selbst drauf gekommen?"

Eine Porträtserie über die Lokale im Lockdown. Schwarz-Weiß-Bilder von den Wirten in ihren leeren Gasträumen. Bilder von der Fotografin Helena Heilig, Texte dazu von der Journalistin Susanne Fiedler. Ein ähnliches Projekt hatten sie gemeinsam über das Arabellahaus und dessen Bewohner gemacht, und so war auch der Bekannte auf die Idee gekommen. "Dieser Lockdown ist eine einmalige Sache in unserem Leben", sagt Helena Heilig, "zumindest haben wir das im Frühjahr gedacht. Dass wir das jetzt schon wieder erleben, hat keiner geahnt."

Keiner von beiden war vernetzt in der Gastro-Szene. Der Freund fragte herum, und bald hatten sie drei Gastronomen, die mitmachen wollten. Die wiederum empfahlen andere, 26 unterschiedlichste Lokale besuchten Heilig und Fiedler gemeinsam. Zwei oder drei pro Tag, vom Tantris bis zur Bar Sehnsucht, von der Küche im Kraftwerk auf dem Dach eines Möbelhauses bis zum kleinen israelischen Lokal Nana. Nur eine Digitalkamera und ein Stativ brachte Helena Heilig mit. Sie arbeitete mit dem Licht, das vor Ort vorhanden war.

"Im Nachhinein hat mich das an die Anfänge der Fotografie erinnert", sagt Heilig. Einerseits weil die Aufnahmen schwarz-weiß sind, andererseits auch wegen des ernsten Blicks der Porträtierten. Früher mussten die Leute lange still halten, damit die Aufnahme nicht verwackelte; da war ein ausgelassenes Lachen nicht drin. Im Frühjahr war ein ernster Blick schlicht der, der die Lage am besten beschrieb.

Während sie auslotete, von welchem Standort im Lokal sie fotografieren würde, sprach Fiedler mit den Wirten. Was für einen Eindruck sie von ihrem plötzlich leeren Laden hätten, ohne feiernde, lachende, essende, trinkende Gäste. Wie es ihnen jetzt gehe. Es war natürlich viel negatives darunter, die Existenzängste allein, aber nicht nur, erzählt die Fotografin. "Viele sagten Dinge wie, in was für einem Hamsterrad waren wir eigentlich die ganze Zeit über? Einer hat etwa erzählt, dass er seine Wohnung gerade ganz neu entdeckt. Wie bequem sein Sessel eigentlich ist. Eine andere meinte, sie hätte zum ersten Mal seit 15 Jahren zu Hause Abend gegessen." Zeit mit der Familie stand hoch im Kurs. Überhaupt, Zeit.

Mit der Ausstellung zu dem Projekt hatten Helena Heilig und Susanne Fiedler eigentlich warten wollen, bis eine Ausstellung unter normalen Bedingungen möglich ist, inklusive Vernissage. "Unsere letzte Ausstellung war in der Orangerie, und zur Eröffnung waren 300 Leute da", sagt Heilig. Toll sei das gewesen, und so hätten sie sich die "Wirte im Lockdown"-Ausstellung auch gewünscht. Als sich aber abzeichnete, dass die Pandemie nicht so schnell wieder verschwinden würde, planten sie die Ausstellung im November. Dass die nun wegen eines zweiten teilweisen Lockdowns verschoben werden musste, ist vielleicht die Ironie der Geschichte. Jetzt ist die Ausstellung vom 3. bis zum 20. Dezember geplant, in der Hoffnung, dass der Lockdown light dann wieder aufgehoben ist. Aktuelle Informationen finden sich auf wirte-im-lockdown.de.

Pandemietauglich organisiert ist die Ausstellung ohnehin. Nur eine bestimmte Anzahl an Besuchern pro Stunde, die Ausstellung ist als Rundgang angelegt. Aufgebaut ist sie in einem ehemaligen Wirtshaus, im Hofer in der Burgstraße, welches in der Coronakrise nun endgültig zugesperrt hat. Ein passender Rahmen. Eines Tages, zu einem Lockdown-Jubiläum vielleicht, könnten sie die Ausstellung womöglich wiederholen, sagt Heilig. Dann aber mit einer großen Party.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2020
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