Süddeutsche Zeitung

Betreuungseinrichtungen:Lieber keine Lollis: Kleine Kinder bleiben ungetestet

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Der Freistaat würde die Kosten übernehmen, doch Träger und Stadt lehnen Lolli-Tests in Münchner Kitas ab. Der logistische Aufwand sei zu groß - und die Inzidenz in der Altersgruppe ohnehin niedrig.

Von Heike Nieder

In den Münchner Kindertageseinrichtungen wird es keine sogenannten Lolli-Tests geben. Das haben die Träger zusammen mit dem Referat für Bildung und Sport (RBS) entschieden. Im September hatte der Freistaat zwar zugesagt, die Kosten für Lolli-Tests in Kitas zu übernehmen, die Organisation der Testungen bliebe allerdings den Kommunen überlassen. Das RBS hat die Mütter und Väter der betroffenen Kinder bereits mit einem Elternbrief über die Entscheidung informiert.

Zur Begründung heißt es, man wolle das Personal in den Kitas und die Eltern nicht noch zusätzlich belasten. "Die Durchführung der Testungen in der Kita durch das Kita-Personal wollen wir mit Rücksicht auf das Wohl der Kinder nicht vorschreiben", sie sei auch vom Personal nicht leistbar. Darum werde an der Verteilung von Berechtigungsscheinen festgehalten, mit denen Eltern in den Apotheken kostenlos Antigen-Schnelltests für ihre Kinder erhalten können. Weder für die Kinder noch für die Beschäftigten entstehe zwangsläufig ein höherer Schutz durch die Lolli-Tests, heißt es in dem Schreiben.

Dem gegenüber steht die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts, auch Kita-Kinder "regelmäßig und seriell" mit der PCR-Pool-Methode zu testen. "Lolli-Pool-PCR-Tests besitzen bei leichter Probengewinnung eine höhere Sensitivität als Antigentests", heißt es im Epidemiologischen Bulletin vom Juli 2021. Infektionen könnten so besonders früh erkannt und Übertragungen in Einrichtungen verhindert werden.

Das Gesundheitsamt München verzeichnet allerdings bei Krippen- und Kindergartenkindern bisher moderate Ansteckungszahlen. Im September waren es 191 Fälle, im Oktober sogar etwas weniger. Jüngst gab es sogar Lockerungen in Einrichtungen für Kinder im Krippen- und Kindergartenalter. In einem Elternbrief des Geschäftsbereichs Kita des RBS heißt es: "Nicht eingeschulte Kita-Kinder sind aktuell im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und insbesondere zu Schulkindern in geringem Maße vom Coronavirus betroffen." Daher erlaubten Erkältungssymptome keinen pauschalen Rückschluss auf eine Infektion mit dem Coronavirus. "Für Kinder, die ihre Kinderbetreuungseinrichtung trotz leichter Symptome (z. B. Schnupfen, leichter Husten etc.) besuchen möchten, genügt künftig eine Bestätigung der Eltern, dass vor dem Kita-Besuch zu Hause ein Schnelltest durchgeführt wurde, der negativ ausgefallen ist." Ein ärztliches Attest sei nicht erforderlich.

"Lolli-Tests sind genauer und sicherer als Schnelltests"

Wolfgang Schramm, emeritierter Professor für Innere Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität, warnt allerdings angesichts der scheinbar niedrigen Infektionszahlen von Krippen- und Kindergartenkindern: "Die Dunkelziffer ist unklar." Viele Infektionen mit dem Coronavirus verliefen in dieser Altersgruppe symptomfrei. Damit auch diese Fälle entdeckt würden, seien PCR-Pool-Tests unbedingt notwendig. Die Ergebnisse der Antigen-Schnelltests seien zu ungenau.

Bereits im Februar startete der 77-Jährige mithilfe befreundeter Mediziner eine PCR-Pool-Testung in den Kitas seiner Enkelkinder. Der Mediziner fordert, dass Lolli-Tests zumindest für die Eltern, die es wünschen, kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssten. Die Proben ins Labor zu bringen, liege dann natürlich in der Verantwortung der Eltern oder der Einrichtung, sagt Schramm.

Tatsächlich wäre es bei rund 1500 Kitas in München schwierig, die Logistik flächendeckender PCR-Pool-Testungen zu organisieren. Daniel Fritsch, Sprecher des Gemeinsamen Elternbeirats der städtischen Kinderkrippen München, beklagt, dass die Organisation der Testungen auf die Kommunen abgewälzt werde: "Das hätte, genau wie bei den Grundschulen, bayernweit organisiert werden müssen." Er ist zwar gegen eine Testpflicht, jedoch: "Lolli-Tests sind genauer und sicherer als Schnelltests und gerade für die Kleinen das niederschwelligste Angebot." Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft München spricht sich ausdrücklich für die Verwendung von PCR-Lolli-Tests in Kitas aus. "Sie werden sowohl von Eltern als auch von Kindern durch die vergleichsweise bequeme Handhabung besser akzeptiert und verhindern zusätzlich eine Stigmatisierung einzelner Kinder bei einem positiven Ergebnis", sagt Vorstandsmitglied Andreas Winckhler.

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