Süddeutsche Zeitung

Staatsanwaltschaft München I:Anklage wegen Corona-Schwindel in Millionenhöhe

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Mit fingierten Rechnungen und anderen Tricks sollen insgesamt sechs Verdächtige versucht haben, sich an staatlichen Not-Hilfen zu bereichern - bis ihnen die Münchner Staatsanwaltschaft offenbar auf die Schliche gekommen ist.

Von Klaus Ott

Die Not war groß, und der Staat half, mit viel Steuergeld. Als vor drei Jahren die Corona-Pandemie begann, Gaststätten und Läden schließen mussten und vielen Unternehmen die Pleite drohte, gab es rasch und unbürokratisch Überbrückungshilfen. Später zeigte sich, dass manche Antragsteller die Gelegenheit nutzten, sich zu bereichern. Zwei besonders drastische Fälle glaubt die Staatsanwaltschaft München I entdeckt zu haben. Die Ermittlungsbehörde hat beim Landgericht München I gegen insgesamt sechs Personen Anklage wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug erhoben. Vier der sechs Personen befinden sich in Untersuchungshaft.

Der größere Fall betrifft vier Beschuldigte zwischen 24 und 51 Jahren, von denen sich laut Staatsanwaltschaft drei seit Sommer 2022 in Untersuchungshaft befinden. Ihnen wird zur Last gelegt, dabei mitgemacht zu haben, auf betrügerische Art und Weise Corona-Überbrückungshilfen in Höhe von mehr als sechs Millionen Euro zu beantragen. Die Beschuldigten kommen der Ermittlungsbehörde zufolge aus der Gastronomie und aus der Veranstaltungsbranche. Sie sollen gerissen und wie eine Bande vorgegangen sein, um staatliche Mittel, also Steuergeld, abzugreifen.

Die Überbrückungshilfen waren ein Programm der Bundesregierung, um kleinere und mittelgroße Firmen vor dem Ruin zu bewahren. Betrugsfälle gab es damals einige, aber die mutmaßliche Münchner Bande soll besonders dreist gewesen sein. Die vier Beschuldigten sollen ein Unternehmen gegründet haben, das angeblich Hygieneprodukte und hygienefördernde Umbauten anbot und Schulungsmaßnahmen betreiben wollte. Mithilfe dieses Unternehmens soll die mutmaßliche Bande "in großem Umfang Scheinrechnungen für Hygienemaßnahmen" an andere Firmen gestellt haben. Und auch an eigene Firmen aus der Gastro- und Eventbranche.

Wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch weiter mitteilte, sollen die mutmaßlichen Scheinrechnungen dann von den jeweiligen Unternehmen beziehungsweise deren Geschäftsführern genutzt worden sein, um hohe Ausgaben vorzutäuschen - und um so Geld aus der Staatskasse im Rahmen der Corona-Hilfsmaßnahmen zu bekommen. Zudem habe sich die Bande dazu verabredet, Scheinmietverträge zwischen Unternehmen abzuschließen. Auch diese Mietverträge hätten einzig und allein dem Zweck gedient, Ausgaben vorzutäuschen, um in die Staatskasse greifen zu können.

Die Staatsanwaltschaft spricht von einem "Scheincharakter" etlicher Geschäfte. Mit einem "aufwendigen Rechnungs- und Zahlungskarussell" habe das alles verschleiert werden sollen. Auf die Schliche gekommen ist den mutmaßlichen Tätern eine auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Abteilung bei der Staatsanwaltschaft im Rahmen von umfangreichen Ermittlungen zum Verdachtsfall "Corona-Subventionsstraftaten". Die beiden Anklageschriften umfassen zusammen rund 200 Seiten. Den Anklagen wiederum liegen 60 Bände Ermittlungsakten und 54 Sonderbände zugrunde; was zeigt, wie schwierig und zeitraubend solche Fälle sind.

Ein Verdächtiger soll zu Wucherpreisen Luftfilter verkauft haben

Die zweite Anklage richtet sich gegen ein Ehepaar, das ebenfalls sehr gerissen vorgegangen sein soll. Laut Staatsanwaltschaft befindet sich der Ehemann, mit Unterbrechung, seit Mitte vergangenen Jahres in Untersuchungshaft. Gegen die Ehefrau werde wegen Beihilfehandlungen ermittelt.

Der Ehemann soll zu völlig überhöhten Preisen Hygiene-Luftfilter verkauft haben. Er und seine Frau hätten insgesamt mehr als 1,6 Millionen Euro kassiert; mehr als das Fünffache des tatsächlichen Marktpreises. Anschließend habe der Ehemann für Mandanten Anträge auf Überbrückungshilfe gestellt, in denen die überhöhten Kaufpreise als "Aufwendungen für Hygieneaufwendungen" enthalten gewesen seien. Er habe Rechnungen, Lieferscheine und anderes gefälscht und so mehr als 2,2 Millionen Euro Überbrückungshilfen kassiert.

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