Süddeutsche Zeitung

Stillgelegtes Gleis:Grüne Brücke über die Isar

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Aus Untergiesing ins Dreimühlenviertel - das soll künftig direkter gehen. Ein Aktivist will die Braunauer Eisenbahnbrücke für Fußgänger und Radfahrer öffnen und ihnen einen Ausblick bescheren, den es so in der Stadt nirgendwo gibt.

Von Julian Raff

Von Untergiesing ins Dreimühlenviertel wäre es eigentlich ein Katzensprung, würde nicht die Isar zu Umwegen zwingen - entweder spaziert man im Norden über die engen und überfüllten Trottoirs an der Wittelsbacherbrücke oder man wählt im Süden die Brudermühlbrücke. Dort hat man mehr Platz, ist dafür aber auch direkt auf dem vielbefahrenen Mittleren Ring. Genau dazwischen liegt die Braunauer Eisenbahnbrücke, an deren Nordseite vor 40 Jahren ein Gleis stillgelegt wurde. Die Idee, diese ungenutzte Trasse als Fuß- und Radweg zu nutzen, wird seit Jahrzehnten diskutiert - nun könnte sie mit dem Projekt "Grüne Brücke" Realität werden, zumindest auf Zeit - und falls die Bahn-Bürokratie mitspielt.

Eine Bahn-Querung an dieser Stelle gibt es seit 1871. Die heutige Brücke ergänzte 1958 die alte Stahlgitter-Konstruktion, die mit der Stilllegung des nördlichen, einst zum Viehhof führenden Gleises schließlich zum historischen Relikt wurde. Seit Jahrzehnten fordern Stadträte und Bezirksausschussmitglieder, dieses Brückensegment als Fuß- und Radweg zu öffnen, mit Verlängerungsoption längs der Bahntrasse, über die Poccistraße bis zur Theresienwiese.

Nun will sich der Aktivist und Kulturveranstalter Benjamin David von der Initiative "Isarlust" der Brückenöffnung annehmen. Geht es nach ihm, soll der nördliche Brückenstrang schon ab Juli, eventuell ab September begrünt und für sechs Monate zugänglich gemacht werden. Ein Kunstpavillon für lokale Kreative, ein "Pavillon der guten Dinge", in dem sich gemeinnützige Initiativen präsentieren und ein bis zwei Lebensmittel-Kioske rund um die Brücke sollen zum Verweilen einladen. David hatte schon vor 15 Jahren eine temporäre Lösung in Form eines Kulturevents ins Spiel gebracht.

Der neue Weg selbst dürfte Radlern und Fußgängern ungewohnte Ausblicke bieten, schließlich würde er die Isar höher als die anderen Stadtbrücken überqueren. Für die nicht ganz unkomplizierte technische Umsetzung seines Projekts hat David zwei Partner gewonnen: Rund 60 Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) München-Mitte sollen die Brücke mit Aufgängen zugänglich machen und den Weg nach unten und seitlich zur Bahnlinie hin absichern - alles im Rahmen einer Übung, schließlich ist die THW-Einheit auf die Instandsetzung von Brücken in Krisengebieten spezialisiert.

Finanzielle Unterstützung und Material steuert der Agrar- und Energiekonzern Baywa bei, der das Projekt im Rahmen seines 100-jährigen Firmenjubiläums sponsert. Die anliegenden Bezirksausschüsse, bei denen David insgesamt 40 000 Euro an Zuschüssen beantragt hat, äußern sich wohlwollend bis begeistert.

Zum gelungenen Brückenschlag fehlt allerdings noch eine entscheidende Unterschrift: Das Konzept hatte David bereits im vergangenen Jahr bei der DB Netz AG eingereicht, die sich zwar offen gezeigt, sicherheitshalber aber das Eisenbahnbundesamt mit einbezogen hatte. Aus der für Bayern zuständigen Bahn-Pressestelle heißt es nun, das Genehmigungsverfahren werde sich noch etwas hinziehen, so dass die Brücke erst 2024 geöffnet werden könne. David zeigt sich etwas ernüchtert vom zähen Verfahren. Trotzdem hofft der Aktivist, die "Grüne Brücke" noch in diesem Jahr realisieren zu können.

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