Süddeutsche Zeitung

"Macherei" in Berg am Laim:Retrolook in warmen Farben

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Die Fassaden des neuen Büro- und Gewerbeareals "Macherei" sollen an die Ziegeleien erinnern, die einst den Osten der Stadt prägten. Gut drei Viertel der knapp 75 000 Quadratmeter Fläche sind bereits vermietet.

Von Julian Raff, Berg am Laim

Im Nordwesten, an der Levelingstraße lugt schon jene Ziegeloptik unter den Gerüsten hervor, die in wenigen Monaten alle sechs Gebäude der "Macherei" charakteristisch umhüllen soll. Nach dem Werksviertel ist das Büro- und Gewerbeareal auf einer früheren Fläche des Pharmakonzerns Temmler zum zweiten Hauptschauplatz des rasanten Wandels in Berg am Laim geworden - in Sachen Verkehrserschließung und Bauhöhe von der Stadtpolitik zunächst kritisch begleitet, vor allem, was die Architektur betrifft, aber inzwischen überwiegend positiv aufgenommen.

Der in abgestuften Rottönen schimmernde Retrolook der Fassaden, teils verstärkt durch gemauerte Fensterbögen, erinnert an die Ursprünge des Viertels als Ziegeleistandort, so wie der namensgebende "Laim", sprich Lehm. Auch mit dem Namen "Macherei" haben die Investoren der Immobiliengesellschaften Art Invest und Accumulata bewusst ein Signal der Bodenständigkeit setzen wollen, das inmitten des branchenüblichen Anglizismen-Einerleis auf jeden Fall auffällt.

Nun wurde hinter den hübsch warmgetönten Ziegelfassaden des 19. Jahrhunderts meist unmenschlich geschuftet, was die Planer mit ihrem "Platz für Macher" natürlich nicht glorifizieren wollen. Stattdessen heben Tobias Wilhelm, Münchner Bereichsleiter der Art Invest, und sein Accumulata-Projektpartner Stefan Stadler alles hervor, was die Macherei über Arbeitsplätze hinaus bieten soll. Man wolle reichlich "Kontrapunkte setzen" zum reinen Gewerbe: Rund die Hälfte der überbauten Grundfläche von 2,6 Hektar wird öffentlich zugänglich sein. Bereits in der mit Gerüsten. Kränen und Containern vollgestellten Rohbau-Landschaft erkennbar ist ein großer, zentraler und später begrünter Quartiersplatz, erschlossen durch breite, auch optisch durchlässige Achsen. Im nordwestlichen, Gebäude, wo Anfang 2021 mit Design Offices, einem Münchner Büroraum-Anbieter für Coworking Spaces, der erste Mieter einziehen soll, entsteht außerdem ein tagsüber frei zugänglicher Innenhof. Östlich der Macherei wiederum schafft eine parkartige "grüne Fuge" eine neue Verbindung zwischen Berg-am-Laim- und Levelingstraße.

Für die Mitarbeiter der einziehenden Firmen bieten die Macherei-Bauten Aufenthaltsflächen auf den Dächern, insgesamt 5000 Quadratmeter, die vielfältig aktiv genutzt werden können. Hoch gelegene Gartenparzellen, Laufbahnen und andere Sportmöglichkeiten werden auf jeden Fall umgesetzt und sind kein Gag für Hochglanzbroschüren, versichern die Investoren. Auf den Erdgeschossflächen sollen bezahlbare Gastronomie und ein Supermarkt den hier Arbeitenden ebenso zugutekommen wie den Anwohnern in der Umgebung. Beides wird an der Berg-am-Laim-Straße platziert, der Schauseite des Areals. Dort setzt die Macherei auch ihren Hingucker in Szene, ein Hotel, dessen zehn Stockwerke der in München geborene New Yorker Architekt Matthias Hollwich wie einen Stapel angeknautschter Kartons ineinander versetzt und geschachtelt hat. Mit 234 Zimmern wird dort eine Vier-Sterne Herberge ("lean luxury") der schwedischen Hotelkette Scandic einziehen.

Nebenan, in einem artverwandten, etwas weniger spektakulären Hollwich-Bau, wird der App-gestützte Fitnessanbieter freeletics sein Hauptquartier aufschlagen, passend dazu eröffnet im Erdgeschoss ein Fitnessstudio. Der Korridor zwischen diesen beiden Blöcken windet sich als verwinkelter "Canyon", dessen Grund optisch einer Sandfläche ähneln wird. Eine noch exotischere Assoziation hatte Hollwich beim Gesamtensemble seiner drei Macherei-Blöcke im Kopf: Die Innenseiten wirken aufgebrochen und leuchten in unterschiedlich starken Rottönen, als wäre ein Meteorit in Berg am Laim niedergegangen und zerborsten, im Inneren immer noch glühend. Wer derart kosmischen Gedankengängen nicht folgen mag, kann sich auch einfach über die Abwechslung fürs Auge freuen.

Die unteren Geschosse des nordöstlichen Hollwich-Baus wird das derzeit noch in Haar ansässige Pharma-Unternehmen MSD Sharp & Dohme beziehen, das die Investoren vor zwei Jahren als ersten Ankermieter gewinnen konnten. Der pharmazeutische Abrechnungsdienstleister Noventi setzt vorne an der Berg-am-Laim-Straße einen weiteren Pharma-Schwerpunkt und knüpft so an die frühere Nutzung des Geländes an. Der Vertragsabschluss im Frühjahr fiel, wie auch beim Fitnessanbieter freeletics, mitten in die Phase der größten Corona-Verunsicherung, die dem Projekt aber, zumindest bisher, wenig anhaben konnte: Gut drei Viertel der knapp 75 000 Quadratmeter Bürofläche sind vermietet, über den Rest verhandle man gerade, erklären die Investoren. Hier sei eben kein einseitiger, krisenanfälliger Branchencluster entstanden, so Wilhelm, wobei sich der Pharma-Schwerpunkt natürlich als glückliche Fügung erwiesen habe.

In die Zukunft blicken er und Stadler ebenfalls zuversichtlich. Gerade die Nachfrage nach großzügiger geschnittenen Büroräumen dürfte ihrer Einschätzung nach in München eher steigen - und mit der Macherei in Berg am Laim auf ein adäquates Angebot treffen. Die beiden südwestlichen Blöcke werden über eine Brücke - von den Planern "Nachtkastl" genannt - verbunden, so dass hier bis zu 4000 Quadratmeter auf einer Ebene entstehen.

Bis Mitte 2021 sollen so gut wie alle bisher gewonnenen Mieter in ihre neuen Quartiere eingezogen sein. Schon in einem Jahr wird also sichtbar, wie viel und welchen neuen Verkehr die Macherei wirklich ins Viertel bringt. Die 800 Plätze einer Tiefgarage sollen jedenfalls nicht fest angemietet, sondern zwecks optimaler Auslastung flexibel bewirtschaftet werden. Zur Anfahrt mit dem eigenen Pkw stehen reichlich Alternativen bereit, etwa Carsharing, ausleihbare (Lasten-)Fahrräder oder E-Roller für den Weg zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Für Tagesbesucher der Firmen wird es ein Kontingent an kostenlosen Leih-Tickets geben.

Die öffentliche Anbindung ist gut: Tram und Bus halten praktisch direkt vor der Haustür, U- und S-Bahnhöfe liegen in sechs bis zehn Minuten fußläufiger Entfernung. Schwierig werden könnte lediglich die Wahl des aktuell besten Verkehrsmittels, weshalb im Gelände zentral angebrachte Anzeigemonitore die jeweiligen Abfahrtszeiten anzeigen werden.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2020
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