Süddeutsche Zeitung

"Moni's Grill":Je weniger Persönlichkeit, desto protziger der Auftritt

Lesezeit: 3 min

Der Regisseur Franz Xaver Bogner betrachtet in seiner neuen Serie die Münchner Gesellschaft - und durchschaut sie. Ein Setbesuch.

Von Philipp Crone

"Ofenkartoffel! Kaiserschmarrn!" plärrt Christine Neubauer durch die Küche, dass Monika Gruber kurz verstummt. Die eine, Neubauer, ist gerade in ihrer Rolle als Toni in der Filmküche und probt mit Regisseur Franz Xaver Bogner die nächste Szene. Die andere, Gruber, ist gerade sie selbst, steht ein wenig abseits und spricht über Neubauer, also den Menschen, nicht die Filmfigur.

"Sie ist schon auch wirklich eine starke Persönlichkeit", sagt Gruber. Da seien sich Figur und Schauspielerin, Toni und Christine, ganz ähnlich. Und genau darum geht es auch am Montag am Set im Glockenbachviertel: Wie viel vom realen Schauspieler steckt in einer Rolle, und vor allem: Wie viel Rolle spielt ein Mensch eigentlich im wirklichen Leben den ganzen Tag über, gerade in einer Stadt wie München?

Bogner hat mit seinen Serien oft das Gefühl für einen Ort zu einer bestimmten Zeit erfasst und so verdichtet, dass man beim Zusehen verstand, worum es eigentlich geht. Das Gefühl der jugendlichen Verlorenheit auf dem Land in "Irgendwie und Sowieso", die wahren Machtverhältnisse Ende der 1980er Jahre im Schlachthofviertel mit seinen archaisch regierenden Viehbesitzern in "Zur Freiheit" oder zuletzt die liebenswerte Münchner Dörflichkeit in "München 7".

Da lief Andreas Giebel als hemdsärmeliger Sheriff über den Viktualienmarkt, regelte Konflikte im Gespräch und jeder konnte sehen, was die Stadt ausmacht: ihre Bewohner, die kleinstädtisch familiär fühlen, aber weltstädtisch abgezockt handeln. Und jetzt also "Moni's Grill".

"Im Prinzip ist die ganze Stadt eine Bühne"

"Drei Kameras, drei starke Frauen, 30 Minuten", sagt Bogner. Neubauer als Köchin, Gruber als Wirtin und die gemeinsame Mutter Christa, gespielt von Sarah Camp, bilden den Kern des Grills, einem feinen Münchner Lokal mit Lüstern an der Decke, wo man gerne einkehrt und sich präsentiert. "Ein Restaurant ist ja immer eine Bühne", sagt der Regisseur. Wobei, "im Prinzip ist die ganze Stadt eine Bühne", sagt Bogner und lächelt bei dem Gedanken.

Für den 67-Jährigen ist diese Serie auch ein Experiment. "Mut zum Freiflug" nennt Bogner das. Denn anders als in seinen bisherigen Projekten gibt es zwei völlig unterschiedliche Teile in jeder der sieben Folgen, die im Herbst in der ARD und im BR laufen werden.

Zum einen das fiktive Restaurant, zum anderen einen zehnminütigen Talk-Teil, bei dem Gruber in ihrer Rolle als Wirtin bekannte Persönlichkeiten interviewt. Die allerdings kommen als sie selbst. Schauspieler, Künstler, Sportler, die Namen der Gäste werden noch nicht verraten. Es kann also passieren, dass Gruber als Moni Elmar Wepper als Elmar Wepper interviewt. Rollen und Realität verschwimmen, sollen verschwimmen.

Christine Neubauer steht mittlerweile am Fenster neben Gruber, Kamera läuft, Text sitzt, das ist Fiktion. Wahr hingegen ist, dass man am Beispiel Neubauer sehr gut sehen kann, wie sich Rollen und Persönlichkeit ähnlich werden. Gerade bei diesem Regisseur. Bogner schreibt seine Drehbücher und entwickelt Figuren anhand von Schauspielerpersönlichkeiten, die er kennt.

Er sucht sich eben nicht wie viele Kollegen die passenden Darsteller für eine von ihm erdachte Rolle. Auch deshalb spielt Neubauer in seinen Filmen immer besonders überzeugend, einfach deshalb, weil sie gar nicht viel spielen muss. So war das bei der zupackenden Standlfrau Elfi in "München 7", und so ist das bei Toni, der Wirtin beim aktuellen Dreh. Klare Ansagen, kein Drumrumreden, burschikos im besten Sinn.

"Viele werden nach diesem Restaurant suchen"

Bogner hatte schon immer den Hang zu starken Frauenrollen. "Das liegt sicher auch daran, dass der Franz im Kreise von vielen solcher Frauen aufgewachsen ist", sagt Gruber. Und dann ist da ja auch noch die oft derb bayerische Sprache, mit der die Kabarettistin Gruber und die Darstellerin Neubauer im wahren wie im fiktiven Leben jeden Wortwechsel für sich entscheiden.

Stärke und Auftreten, das zieht die Leute an. Zum Beispiel eben in "Moni's Grill", wo man in der Serie beobachten kann, was im wirklichen München und seiner Society ebenfalls gilt: Je weniger Persönlichkeit, desto protziger der Auftritt auf der Gesellschaftsbühne.

"Drehschluss!", ruft der Assistent nach der Einstellung am Fenster, die starken Frauen schminken sich ab, während sich Bogner an einen Restauranttisch setzt und darüber sinniert, wann man eigentlich im Leben überhaupt noch man selbst ist und keine Rolle spielt. Neubauer hat die Küchenschürze abgelegt und hockt sich kurz danach dazu. Sie sagt: "Eins weiß ich jetzt schon: Viele werden, wenn die Serie im Herbst gelaufen ist, nach diesem Restaurant suchen."

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SZ vom 17.03.2016
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