Süddeutsche Zeitung

Mitten in Unterhaching:Heimat aus Frottee

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Jedes Kind, das in der Gemeinde geboren wird, bekommt ein Lätzchen mit der Aufschrift "I bin a Unterhachinga", wer es bis zu einem runden Geburtstag schafft, sogar ein Handtuch. Das ist nicht viel - aber immerhin ehrlich erworben.

Kolumne von Iris Hilberth, Unterhaching

Der durchschnittliche Kaufpreis für Grundstücke in Unterhaching beträgt etwa 2200 Euro pro Quadratmeter. Keine Frage, das ist kein Schnäppchen. Seit einigen Jahren erlaubt sich daher das Rathaus den Scherz und schenkt Jubilaren oder besonderen Gästen Liegefläche. Die hat man zumindest dann, wenn man sein Gemeinde-Handtuch im Freibad ausbreitet, sodass jeder den aufgestickten Schriftzug lesen kann: 1,5 Quadratmeter Unterhaching. Nach zwei runden Geburtstagen kann man mitunter schon mit drei Quadratmetern protzen.

Der Bürgermeister erwähnt bei der Geschenkübergabe meist, dass man diese Handtücher nicht kaufen kann. Man bekommt sie eben nur vom Rathauschef überreicht. Man muss sich also schon irgendwie verdient gemacht haben, um Unterhachinger Handtuchträger zu sein. Das ist anders als bei all den anderen Frotteetüchern mit Emblem, die man am Beckenrand zu sehen bekommt, und die häufig in irgendwelchen Hotels geklaut wurden. Tatsächlich, so hat es eine Umfrage des Portals Wellness Heaven im Dezember unter 1300 Hotels ergeben, lassen Gäste am häufigsten Handtücher und Bademäntel mitgehen. Das ist wenig überraschend, dieses Diebesgut lässt sich ja auch leichter transportieren als die Matratze oder der ausgestellte Wildschweinkopf. Aber auch die kommen in der Studie vor.

Die Unterhachinger Handtücher jedenfalls sind gut verschlossen im Raum für Gemeinde-Devotionalien im Rathaus. Dort lagern auch noch Regenschirme, Trinkflaschen, Taschen und sogar Babylätzchen. Tatsächlich bekommen Neugeborene ein solches Stück weißen Stoffs zum Umbinden mit der Aufschrift: "I bin a Unterhachinga. Guten Appetit wünscht dir der 1. Bürgermeister." So ähnliche identitätsstiftende Geschenke gibt es anderswo natürlich auch. In Oberhaching etwa verteilt der Bürgermeister bei Babyempfängen T-Shirts mit den ortsteilbezogenen Botschaften "I bin a Oberhachinger Madl" oder "I bin a Further Bua". Und in Unterföhring haben sie zehn Gramm Vollmilch- oder Halbbitterschokolade mit dem Bild des hässlichen Rathauses aus den Siebzigerjahren verziert.

Solche Geschenke haben schon viele bekommen. Auch die Unterhachinger Lätzchen sind nichts Neues. Aber nachdem eine begeisterte Mutter das Präsent aus dem Rathaus im Internet gepostet hat, interessieren sich plötzlich viele dafür. Entweder weil sie auch eines haben möchten oder weil ihnen die Farbe nicht gefällt. Immerhin wird die Größe gelobt. Und bei mehreren Kindern kommen schon einige Quadratzentimeter Unterhaching zusammen.

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