Süddeutsche Zeitung

Schnelles Internet:Es holpert auf der Datenautobahn

Lesezeit: 3 min

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Das klingt mal nach einer richtig guten Botschaft: "Breitbandausbau in Oberbayern läuft auf Hochtouren. Zukünftig rund 97 Prozent aller Haushalte mit schnellem Internet verbunden." Doch der fast schon euphorische Ton, in dem das von Markus Söder geführte bayerische Staatsministerium der Finanzen und Landesentwicklung Fortschritte verkündet, wirkt unpassend, sobald man mit Menschen spricht, die im Raum München mit der Wirklichkeit konfrontiert sind: Von den Segnungen einer digital vernetzten Gesellschaft ist mancher zwischen Unterschleißheim und Aying noch weit entfernt.

Ingenieure verschicken Pläne mit großen Datenmengen. Architekten melden sich per Video-Schalte von Baustellen. Und Geschäftspartner verabreden sich über Skype. So stellen sich Unternehmer wie Christoph Leicher die Arbeitswelt vor. Doch der Sprecher des Regionalausschusses der Industrie und Handelskammer (IHK), der von seiner Engineering-Firma in Kirchheim aus mit Geschäftspartnern in fast 30 Ländern kommuniziert, erlebt auch ganz anderes.

Er kennt Unternehmer, die erst auf eigene Faust Glasfaser in ihre Firma legen lassen müssen und deren Mitarbeiter klagen, sie könnten zu Hause kaum die E-Mails herunterladen, sobald die Kinder im Netz sind. Angesichts des Fachkräftemangels denkt auch Leicher daran, seinen Mitarbeitern vermehrt Heimarbeitsplätze anzubieten. Doch wenn das Internet das nicht hergibt, bleibt das ein Traum. "Wir sind noch lange nicht am Ziel", sagt er.

Das deckt sich mit einer Erhebung: 197 Unternehmen im Landkreis beteiligten sich an der jüngsten Standortumfrage der IHK München und Oberbayern und stellten dem Landkreis mit der Note 1,8 ein gutes Zeugnis aus. Der Breitbandversorgung maßen sie mit einem Wert von 1,4 eine hohe Bedeutung zu, wobei sie deren Qualität mit 2,5 als relativ dürftig beurteilten.

Während Breitbandminister Söder also Förderbescheide an Bürgermeister verteilt, sehen Betroffene, dass vieles noch nicht funktioniert. Bis zu 50 Megabit/Sekunde sind das erklärte Ziel der Breiband-Initiative. Doch Unternehmer denken längst in anderen Down- und Upload-Raten. Moderne Verwaltungen, die auf E-Governance setzen, sind auf Glasfaseranschlüsse angewiesen, ganz zu schweigen von den Erfordernissen des autonomen Fahrens, wenn Autos große Mengen an Daten hin- und herschieben.

Ein Thema auch: die Breitbandanbindung von Schulen. Wie es aus dem Landratsamt heißt, seien die weiterführenden Schulen im Landkreis an die Breitbandautobahnen angeschlossen. Bei den Grund- und Mittelschulen sei der Ausbau "gut bis sehr gut". 16 Mbit/s gebe es mindestens, zum Teil sogar 25 oder 50 Mbit/s. Einige wenige Grundschulen müssten noch mit sechs MB/s auskommen. Doch der Ausbau laufe, heißt es.

Die Rektorin der Mittelschule Haar, Christa Beyer, muss ihre Schüler auf die neue Berufswelt vorbereiten. Man komme "daran nicht mehr vorbei", sagt sie. Derzeit werde das Schulhaus aufgerüstet. Beamer würden angeschafft und anderes. Bei der Gemeinde finde sie mit ihren Anliegen "immer ein offenes Ohr", sagt Beyer. "Es tut sich was." Aber eine Baustelle sind die Schulen wie viele andere Bereiche im Landkreis eben auch. So sagt etwa Klaus Korneder (SPD), Bürgermeister von Grasbrunn, zum Stand des Breitbandausbaus: "Wir sind mit Sicherheit in der EU nicht führend."

Deutschland setzt sich kaum ehrgeizige Ziele

Korneder erlebt freilich, wie kompliziert sich der Breitbandausbau in einer Gemeinde mit vielen kleinen Ortsteilen darstellt. Sobald ein Neubaugebiet wie auf dem Areal des früheren Unternehmens Kugler entsteht, wird Glasfasertechnik bis in die Häuser verlegt. Aber bestehende Kupfernetze und wenig leistungsfähige Verteilerkästen zu ertüchtigen, ist eine Kärrnerarbeit. Die Gemeinde profitiert da von ehrenamtlichen DSL-Paten. Korneder bezeichnet es als "ganz großes Glück", diese Leute mit ihrer Kompetenz zu haben, die die Verhältnisse kennen und Klagen frustrierter Internet-Nutzer sammeln, um diese dann gebündelt an Netzbetreiber wie die Telekom heranzutragen.

Auf diese Weise sei es über Jahre hinweg gelungen, Verbesserungen für ganze Straßenzüge zu erreichen. Abgesehen davon kooperiert die Gemeinde mit den Bayernwerken und dem Wasserversorger, um bei Straßenarbeiten gleich Leerrohre zu verlegen, in die zu gegebener Zeit Glasfaserkabel bis an die Grundstücke herangebracht werden können. Jedes Jahr werde dafür ein sechsstelliger Betrag eingeplant, sagt Korneder. Das Södersche Förderprogramm nutzt Grasbrunn auch, wobei man damit laut Korneder nur Lücken, - etwa drei Dutzend Hausanschlüsse - schließt.

Die Breitband-Initiative greift, wenn die Datenleitung weniger als 30 Mbit/s leistet, mit dem Ziel, auf bis zu 50 Mbit/s zu kommen. Als ein Problem hat Bernd Beckert vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in einer Studie ausgemacht, dass sich Deutschland zu wenig ehrgeizige Ziele setze. Schweden, Spanien, Estland strebten bis 2020 100 Mbit/s an, schreibt er. Was Ende 2018 auf die auslaufende Breitband-Initiative folgt, ist laut Breitband-Manager Stephan Korzeczek vom Amt für Digitalisierung in München unklar. Unternehmer Christoph Leicher wünscht sich, in Bayern Zuständigkeiten zu bündeln. Derzeit sind mit Minister Söder, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Verkehrsminister Joachim Herrmann drei Ressorts betraut.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2017
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