Süddeutsche Zeitung

Krieg in der Ukraine:"Es ist schon schwierig, unsere eigenen Kinder unterzubringen"

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Die Gemeinden müssen geflüchtete Familien unterbringen und Betreuungsplätze anbieten. Vor allem Letzteres ist laut dem Planegger Bürgermeister Hermann Nafziger angesichts des Personalmangels ein Problem.

Von Rainer Rutz, Planegg

"Was jetzt auf uns zukommt, ist viel schlimmer als die Corona-Krise." Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger (CSU) sparte bei der Bürgerversammlung am Mittwochabend im Kupferhaus nicht mit drastischen Worten. Auch die Gemeinde Planegg spüre bereits die ersten Folgen des Krieges in der Ukraine, sagte Nafziger: Jeden Tag kommen Geflüchtete, meist Frauen und Kinder. Rund 30 habe man bereits in einem Gebäude untergebracht. "Alles, was die noch besitzen, passt in einen Kofferraum." In den nächsten Tagen wird der Landkreis München rund 600 Geflüchtete auf die Gemeinden verteilen. "Derzeit haben wir noch 28 Plätze frei", sagt der Bürgermeister, "aber wir müssen in den ersten 30 Tagen die Kinder unterbringen."

Doch Kindergartenplätze gibt es keine mehr. Man versuche gerade, eine dritte Gruppe im Hort aufzubauen. "Doch wir finden keine Fachkräfte. Es ist schon schwierig, unsere eigenen Kinder unterzubringen, wo sollen wir dann die Flüchtlingskinder unterbringen?", so Nafziger. Er trage sich bereits mit dem Gedanken, wieder Container anzumieten. Einen vorläufigen Platz hat der Bürgermeister auch schon ausgemacht: am Parkplatz an der S-Bahn-Station, dort wo kürzlich noch der Impfcontainer stand. Peter Vogel, derzeit noch Kämmerer, wird die Kontaktperson für Flüchtlinge im Rathaus: "Vom Kämmerer zum Kümmerer", sagt Nafziger. Der Bürgermeister ruft die Planegger auf zu helfen, wo es möglich ist: "Uns geht es so gut, lasst uns demütiger werden, wir nehmen uns viel zu wichtig."

Die aktuelle Entwicklung überschattet eine erfolgreiche Bilanz der vergangenen Jahre

Dass Nafziger seinen drastischen Appell an das Ende seines Rechenschaftsberichts für die vergangenen zwei Jahre setzt, hatte er vor vier Wochen selbst nicht geahnt. Damals schwelgte er noch im Erfolg über die Haushaltspolitik seiner Gemeinde, die mit 84 Millionen Euro für 2022 einen absoluten Rekord eingefahren hat. Den rund 40 Zuhörern im Kupferhaus - so wenige wie noch nie - schilderte Nafziger die Erfolge und Projekte in Planegg und Martinsried in den beiden Jahren, die wesentlich von der Pandemie geprägt waren: "Wir haben die Rathausverwaltung umgebaut und die Digitalisierung vorangetrieben. Die Volksschulsanierung hat uns wahnsinnig beschäftigt, mit einem Endbetrag von 14,2 Millionen Euro nach wie vor ein unsägliches Thema." Frustriert zeigte sich Nafziger beim Thema Bahnhofsbebauung: "Alles wurde anders nach dem Abriss des Heide-Volm. Wir mussten die Planungen einstellen. Wir haben im November Heide ein Angebot gemacht. Der Ball liegt jetzt dort."

Eines der zentralen Themen in Planegg bleibt der U-Bahnbau in Martinsried. Der Bürgermeister erinnert sich "an erste Gespräche im Jahr 1991" - vor mehr als 30 Jahren also. Doch heute ist er zuversichtlich. "Ende 2022 beginnt der Tunnelbau, 2025/26 fährt die Bahn. Was lange währt, wird endlich gut." Ein Zurück, so Nafziger, gebe es nicht mehr, "denn alle schreien nach der U-Bahn. Für die Gemeinde wird das ein Meilenstein." Trotz unsicherer Zukunft werde man weitere Projekte verfolgen: einen Neubau am Gymnasium, die Totalsanierung der Tiefgarage am Marktplatz, den Bau bezahlbarer Wohnungen. Nafziger glaubt, dass man für alles Lösungen finden werde. Im laufenden Jahr stehen noch einige Jubiläen an, unter anderem feiert Planegg seine Städtepartnerschaft mit dem ostdeutschen Bärenstein, die vor genau 30 Jahren begann.

Eigentlich sollte Landrat Christoph Göbel (CSU) traditionsgemäß auf der Planegger Bürgerversammlung sprechen - er lebt im benachbarten Gräfelfing. Doch der Landrat ist laut Nafziger nach einer Corona-Infektion immer noch in Quarantäne, ebenso wie der Planegger Rathaus-Geschäftsführer Stefan Schaudig.

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