Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Aus der Sicht und vom Tisch

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Kooperation ist wichtig. Doch niemand darf sich mit Anteilen an Windparks andernorts aus der Verantwortung stehlen.

Kommentar von Iris Hilberth

Die Suche nach geeigneten Flächen für Windräder gestaltet sich im dicht besiedelten Landkreis München wie erwartet als sehr schwierig. Die Gemeinden stoßen dabei schnell an ihre Grenzen, Grundstücke sind rar und teuer. Da ist es sinnvoll, dass Nachbarn sich zusammentun, um in einer Interessengemeinschaft die Errichtung solcher Anlagen gemeinsam zu stemmen. So formieren sich gerade die Anrainergemeinden am Perlacher Forst zu einem Bündnis, um auf dem gemeindefreien Gebiet im Wald bis zu zwölf Windräder zu errichten. Eine gute Idee.

Doch weckt dieser Vorstoß bereits bei anderen Gemeinden Begehrlichkeiten. Neubiberg liegt gar nicht an dem Wald, findet die Lösung aber auch ganz praktisch. Bestenfalls kann man so Flächen sparen, der Diskussion mit der eigenen Bürgerschaft über Standorte bei sich aus dem Weg gehen und trotzdem seine Hausaufgaben im Fach Windenergie erledigen. Schließlich sind alle Kommunen aufgefordert, Flächen zu nennen. Verständlich ist aber auch, dass die Anrainergemeinden des Forsts davon wenig begeistert sind. Da könnte ja jeder kommen. Und dann würden alle ihre Windräder im Landkreis München im Perlacher Forst aufstellen.

Das geht natürlich nicht, denn anvisiert sind insgesamt 50 bis 100 Anlagen, und die müssen sich eben über den gesamten Landkreis verteilen. Eine gemeinsame Kraftanstrengung bedeutet auch, dass man Unangenehmes - und als das werden Windräder von vielen Leuten nach wie vor gesehen - nicht einfach zum Nachbarn abschieben kann. Ganz nach dem Motto: aus der Sicht und vom Tisch. Begleitet vom scheinheiligen Bedauern: Wir würden ja gerne, aber es geht einfach nicht. Man kennt solche Argumentation von anderen Projekten in vielen Gemeinden, wo sich Anwohner gegen Planungen wehren. Der Schul-Campus? Eine wichtige Sache - aber genau diese Stelle ist völlig ungeeignet. Die Asylbewerberunterkunft? Auch notwendig, aber doch nicht an diesem Standort! Windräder gerne, aber nicht bei uns.

Mit der Aufweichung der 10H-Regel geht es vielerorts eben doch. Und die Gemeinden müssen durch das neue Wind-an-Land-Gesetz Lösungen finden, bei sich und zwar rasch. Das Beispiel Perlacher Forst zeigt, dass die Standortsuche für Windkraftanlagen noch ein großes Konfliktpotenzial birgt, wer welche Flächen nutzen darf. Die unangenehme Diskussion hat gerade erst begonnen.

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