Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt:Auch für Ältere gibt es Jobs

Lesezeit: 3 Min.

Arbeitslose über 50 Jahre haben auf dem Stellenmarkt nach dem gängigen Vorurteil keine Chance. Ein Projekt des Jobcenters zeigt, dass das nicht stimmt. Manche Chefs suchen sogar gezielt Bewerber mit Erfahrung.

Von Verena Fücker

Christa Ehizojie war das, was auf dem Arbeitsmarkt allgemein als hoffnungsloser Fall gilt: älter als 50 Jahre und arbeitslos. Trotz 365 geschriebener Bewerbungen wollte niemand die Bürokauffrau aus Unterhaching einstellen. "Da verliert man schon manchmal den Glauben an sich selbst und fragt sich, warum man sich den Stress überhaupt antut, auch wenn das bei mir nur selten der Fall war", sagt sie.

Wegen einer Krebserkrankung war der Job weg

Seit sie 2005 wegen einer Krebserkrankung nicht mehr arbeiten konnte, hat sie sich mit gelegentlichen Zeitarbeitsjobs begnügen müssen. Doch dann nahm das Jobcenter des Landkreises München sie in ein ganz besonderes Projekt auf. Das sogenannte "Ziel 50plus" soll Langzeitarbeitslosen, die mindestens 50 Jahre alt sind, neue Perspektiven eröffnen, das Selbstvertrauen zurückgeben und sie wieder in Arbeit bringen. Den Anstoß gab das Programm "Perspektive 50plus" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das 2005 ins Leben gerufen wurde.

Im Großraum München gibt es das Programm seit Januar 2014. Die Betreuer versuchen, in intensiven Gesprächen, passende Jobs für die Teilnehmer zu finden. Sie vermitteln sie aber auch weiter an Beratungsstellen und Anbieter spezieller Kurse. Christa Ehizojie zum Beispiel hat zwischen Juli und September 2014 das Angebot des privaten Instituts für Personaltraining und Beratung (IPB) genutzt. Die Teilnehmer werden vom Jobcenter ausgesucht. Oft sollen dort die eher hoffnungslosen Fälle für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden.

Manche müssen erst essentielle Dinge lernen

Manche fangen dort mit ganz existenziellen Dingen an. "Es ist schon mal vorgekommen, dass wir mit einem Teilnehmer eine Wohnung suchen mussten. Das ist eine unendliche Spirale: Ohne Job keine Wohnung und ohne Wohnung kaum Perspektiven", erklärt Markus Mußotter. Der 48-Jährige ist pädagogischer Mitarbeiter im IPB. Andere lernen dort, ihren Alltag wieder zu strukturieren, denn während der ersten drei Monate in dieser Maßnahme herrscht tägliche Anwesenheitspflicht. "Das ist etwas, was viele Langzeitarbeitslose verlernt haben", so Mußotter. Ob diese allerdings an den angebotenen Kursen teilnehmen, bleibt jedem Arbeitslosen selbst überlassen. "Der Schritt in die Arbeit ist auch ein freiwilliger. Ich kann niemanden zwingen", sagt er. Im Angebot sind unter anderem Kurse in Ernährungslehre und Konfliktmanagement, Sport oder Computerkurse.

Die 57-jährige Christa Ehizojie musste nicht lernen, ihren Alltag neu zu strukturieren. "Ich bin niemand, der zu Hause sitzen kann, sondern habe mir immer neue Aufgaben gesucht, ehrenamtlich gearbeitet, zum Beispiel mit Asylbewerbern oder mich um mein Enkelkind gekümmert", sagt sie. Die Kurse beim IPB hat sie aber trotzdem gerne mitgemacht. "Beim Bewerbungstraining habe ich gelernt, mich und meine Bedürfnisse zu hinterfragen: Was will ich eigentlich? Welche Stelle passt zu mir?", sagt Ehizojie.

Vorher habe sie sich blind auf jede Stelle beworben, wo eine Bürokauffrau gesucht wurde. "Das konnte ja nichts werden", sagt sie rückblickend. Die bei der "Perspektive 50plus" angebotenen Englischkurse besucht Ehizojie noch jetzt, obwohl sie bereits seit vergangenem September einen Job bei einem Gastronomie-Franchise-Unternehmen hat. "Das macht mir einfach so viel Spaß und ich kann mich immer noch an Herrn Mußotter oder seinen Kollegen wenden, sollte ich Redebedarf haben", sagt sie zufrieden. Teilnehmer, die in den ersten drei Monaten der Maßnahme noch keinen Job gefunden haben, müssen sich mindestens einmal im Monat beim IPB melden. Wer nach weiteren drei Monaten immer noch keine Arbeit hat, gilt als besonders schwer vermittelbar.

"Die Schallgrenze der Arbeitslosigkeit liegt eigentlich bei zwei Jahren, vor allem in schnelllebigen Bereichen wie der IT. Danach wird eine Vermittlung schwer. Bei vier Jahren ohne Arbeit kriege ich richtige Bauchschmerzen", erzählt eine Fallmanagerin des Jobcenters, die nicht genannt werden möchte. Dabei ist das Vorurteil, viele Unternehmen würden nur junge Arbeitnehmer einstellen, weil die Alten weniger belastbar seien oder sich schlechter unterordnen könnten, oftmals überholt.

Ein Juwelier suchte gezielt eine ältere Verkäuferin

"Eine Klientin, die mittlerweile bei einem Juwelier arbeitet, konnte zum Beispiel ausgerechnet mit ihrem Alter punkten. Ihr Chef wollte jemanden einstellen, der ältere Kunden beraten kann und weiß, was diese wollen", erzählt die Fallmanagerin. Auch Christa Ehizojie hat von ihrem Alter profitiert: "Mein Chef meinte, der Job verlangt viel Verantwortungsbewusstsein und das sieht er eher bei erfahrenen Arbeitnehmern."

Wer als Teilnehmer von "Ziel 50plus" allerdings innerhalb von drei Monaten einen Job findet, der mit 650 bis 1900 Euro vergütet wird, erhält ein halbes Jahr lang eine Prämie von bis zu 200 Euro pro Monat. Die Maßnahme "Ziel 50plus", bei der sieben Jobcenter im Großraum München zusammenarbeiten, darunter auch Erding und Ebersberg, läuft zunächst bis Ende 2015. 2014 haben 1088 Teilnehmer durch dieses Projekt einen neuen Job gefunden, darunter auch Christa Ehizojie. Sollte sie bis zum Ende des Projekts Probleme an ihrer Arbeitsstelle haben, würde IPB-Mitarbeiter Markus Mußotter immer vorbeikommen und vermitteln.

Auch diese Weiterbetreuung ist Teil der Maßnahme. Aber so weit wird es bei ihr vermutlich nie kommen. Ihr Arbeitspensum soll von Teil- auf Vollzeit ausgebaut werden. "Jetzt fühle ich mich richtig wohl. Ich habe sehr viele junge Kollegen und gehe gerne arbeiten," erzählt die Unterhachingerin.

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Quelle:
SZ vom 31.03.2015
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