Süddeutsche Zeitung

Initiative 29++:Nicht unser Bier

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Die Hälfte der Energie im Landkreis verbraucht die Wirtschaft. Doch viele Firmen zieren sich, am Klimaschutz mitzuwirken.

Von Stefan Galler, Landkreis

Schwere Unwetter in ganz Deutschland, wechselweise Dürre und Flut auf dem indischen Subkontinent, ein verheerendes Korallensterben in Australien - der Klimawandel offenbart in diesem Frühjahr einmal mehr seine ganze globale Tragweite. Die Folgen der Erderwärmung sind auch Thema im Landkreis München; nachdem man die Energievision, vom Kreistag 2006 verabschiedet, mittlerweile ad acta gelegt hat, weil die Senkung des Energieverbrauchs im Landkreis um 60 Prozent bis zum Jahr 2050 als nicht realistisch erschien. Der ständige Zuzug, auch von Wirtschaftsunternehmen, ließ die Prognosen in die andere Richtung gehen - allein bis 2010 war der Energieverbrauch um 25 Prozent angestiegen.

Und so entschied sich der Kreis, neue Wege zu gehen, nämlich die "29++ Klima. Energie. Initiative" zu gründen. Bei diesem Projekt geht es darum, in Fachworkshops Wege und Mittel zu erarbeiten, wie man energiebewusster handeln kann, sowohl im privaten Haushalt, als auch im Bereich Verkehr oder in den ansässigen Unternehmen. Genau auf Industrie und Wirtschaft soll nun in den nächsten Tagen das Hauptaugenmerk gelegt werden, denn die Zahlen aus der aktuellsten Studie, die aus dem Jahr 2010 stammt, sollten den Firmen durchaus zu denken geben: 47 Prozent des gesamten Energieverbrauchs des Landkreises München gingen auf ihr Konto. Damit benötigen die ansässigen Unternehmen beinahe ebenso viel Energie wie private Haushalte (21 Prozent) und der Verkehr (30 Prozent) zusammen. Beim CO₂-Ausstoß kommen Gewerbe, Handel und Dienstleister sogar auf 51 Prozent aller im Landkreis produzierten Emissionen.

Brauerei Aying und Develey gelten als vorbildlich

Grund genug für die Landkreisverwaltung und insbesondere die Stabsstelle Energie und Klimaschutz unter der Leitung von Franz Reicherzer, die Unternehmen bei ihrer Initiative "29++" ins Boot zu holen. Landrat Christoph Göbel (CSU) unterstützt die Bemühungen, Firmen für die Teilnahme an den für kommende Woche geplanten Workshops zu gewinnen: "Wir sind auf die Unternehmen sogar in mehrfacher Hinsicht angewiesen", sagt der Landrat. Einerseits könnten nur mithilfe der Firmen zukunftsorientierte, realistische Lösungen zur Energiewende gefunden werden. Darüber hinaus böten die Workshops die Chance zum Erfahrungsaustausch, wie Göbel betont: "Hier wäre eine gute Plattform, um vom Wissen und den Erfahrungen anderer zu profitieren und vielleicht sogar Synergien zu erkennen."

Das unterstreicht Stabsstellenleiter Reicherzer: "Unser Ziel ist es, ein tragfähiges Energieeffizienz-Netzwerk aufzubauen, das immer mehr wachsen soll." Keineswegs wolle man die Unternehmen im Landkreis, die sich beteiligen, in irgendeiner Form gängeln oder kontrollieren: "Es liegt doch auch im Interesse der Firmen, dass wir dem immer größeren Energieverbrauch entgegensteuern", sagt Reicherzer. "Alleine schon im Bereich Verkehr: Welcher Unternehmer will schon, dass seine Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit ständig im Stau stecken?"

Workshops in Pullach, Ottobrunn und Oberschleißheim

Wie aus dem Landratsamt zu erfahren ist, hält sich die Resonanz bei der lokalen Wirtschaft bislang allerdings in Grenzen: Bei einer Reihe von Firmen wartet man noch auf eine verbindliche Zusage, was die Teilnahme an einem der Workshops im Bürgerhaus Pullach (6. Juni, 9 Uhr), in den Räumlichkeiten der Marketingagentur Trurnit GmbH in Ottobrunn (7. Juni, 13 Uhr) und bei der Schreiner Group (druck- und folienverarbeitende Industrie) in Oberschleißheim (8. Juni, 13 Uhr) angeht. Definitiv dabei sein werden allerdings unter anderem ein namhafter Energieversorger und ein großes Medienunternehmen, das im östlichen Landkreis angesiedelt ist.

Bei einer Reihe von Traditionsunternehmen aus dem Landkreis hofft Reicherzer ganz besonders, dass sie ihr umfangreiches Know-how in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein an andere weitergeben. Namentlich nennt er die Ayinger Brauerei und den Lebensmittelproduzenten Develey aus Unterhaching: "Beide haben bereits den Energiepreis des Landkreises erhalten. Es wäre toll, wenn weitere Firmen von ihren Maßnahmen profitieren könnten."

Als Vorbild nennt der Stabsstellenleiter den Landkreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen, der mit dem Landkreis München eine Partnerschaft beim kommunalen Klimaschutz ("RegioTwin") betreibt. "Dort sind alle Sparkassen, die Stadt- und Gemeindewerke, Handwerksinnungen und Bauunternehmen im Bereich Energiewende miteinander vernetzt", sagt Reicherzer. "Das wäre auch für uns absolut wünschenswert."

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SZ vom 01.06.2016
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