Süddeutsche Zeitung

Bildende Kunst:Ausweitung der Unruhezone

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Der Kunstkreis Gräfelfing veranstaltet regelmäßig gut besuchte Sommerausstellungen an besonderen Orten. Diesmal gestaltet sich die Suche schwierig - weil der gesamte Kulturbetrieb in der Gemeinde gerade eine Baustelle ist.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

"Unruhezone" - das ist der Titel der geplanten Sommerausstellung des Kunstkreises Gräfelfing. Er soll den "Nerv der Zeit treffen", wie die Vereinsvorsitzende Kathrin Fritsche sagt. Denn das ist der Anspruch der Ausstellungen des Kunstkreises, genau damit hat er sich über Gemeindegrenzen hinweg einen Namen gemacht. Allerdings trifft der Titel auch auf die Situation des Kunstkreises selbst zu: Ein Ausstellungsort für die geplante Schau fehlt noch. Das liegt auch an den umfangreichen Bautätigkeiten im Ort - der Kulturbetrieb in Gräfelfing ist gerade eine Unruhezone.

Kunst und Raum gehen beim Kunstkreis Hand in Hand. Für die großen Sommerausstellungen haben die Vereinsaktiven immer ganz besondere Orte gefunden: die Kirchen im Würmtal etwa oder das Kieswerk in Gräfelfing, eine leerstehende, verfallene Villa oder das Idyll der Seidlhof-Stiftung, dem letzten Landwirtschaftsbetrieb in Gräfelfing. Neben der Kunst waren es die Orte, die das Publikum in Strömen angezogen haben, auch aus München sind Interessierte gekommen, was selten passiert bei Kulturveranstaltungen im Umland. Kunst eingebettet in eine spannende Umgebung - das hat die Ausstellungen immer zu einem Gesamterlebnis gemacht.

Im vergangenen Jahr konnte die Sommerausstellung, die erstmals als eine Kunstmesse, die "Art Gräfelfing", inszeniert war, im leerstehenden alten Schulungsgebäude der Doemens-Brauereiakademie stattfinden. Die Messe war laut Fritsche ein "Riesenerfolg", es kamen viele Besucher, es wurde viel gespendet und neue Mitglieder traten dem Verein bei. An den Erfolg würde der Kunstkreis gerne anknüpfen. Doch noch einmal kann der Verein nicht bei Doemens unterkommen, hier residiert jetzt die Bücherei, weil deren eigentliche Adresse, das Bürgerhaus, demnächst über mindestens zwei Jahre hinweg saniert wird.

Auch an anderer Stelle treiben die Bautätigkeiten im Ort den Kunstbetrieb in die Enge. Weil das Rathaus saniert wird, ist das Standesamt derzeit ins Alte Rathaus an der Bahnhofstraße ausgelagert. Hier fanden bislang die Herbstausstellungen des Kunstkreises statt. Für die Sommerausstellung wäre das Alte Rathaus eine stille Reserve gewesen. Es ist ein charmanter Ausstellungsort mit hohen Räumen und Parkettböden und einem Dachgeschoss mit alten Balken. Doch bis jetzt ist nicht einmal klar, ob im November 2023 die geplante kleine Karikatur-Komik-Ausstellung stattfinden kann. Eine feste Zusage gebe es noch nicht, sagt Fritsche. Als Notlösung für den Sommer kommt das Quartier damit auch nicht in Frage.

Für die Sommerausstellung drängt die Zeit. Spätestens Anfang April muss die Ausschreibung erfolgen, damit den Künstlern ausreichend Zeit für eine Bewerbung bleibt. Am liebsten wäre Fritsche ein Abrisshaus oder eine Gewerbeimmobilie, sagt sie. Da das Ausstellungsthema sich mit Wandel und Umbruch, Unruhe und Perspektivenwechsel beschäftigt, sei ein Ort mit Patina und Atmosphäre passend. Und dunkle Kammern seien immer willkommen für Videoinstallationen. Aber wo kein Ausstellungsort ist, ist auch die Sommerausstellung noch in der Schwebe.

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